Ausstellung für Widerstand gegen Hitler:Stauffenberg und Swing-Jugend

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"Reichsstatistenführer" in der Kutsche: Himmler wollte KZ-Haft für den Ulk der Hamburger Swing-Jugend. (Foto: Gedenkstätte Deutscher Widerstand)

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand hat ihrer Daueraustellung im Berliner Bendlerblock einen modernisierten Auftritt verpasst. Sie kommt luftiger und leichter daher als zuvor, doch die immense Fülle an Material ist für den Besucher noch immer eine Herausforderung. Das Themenfeld wird zudem sehr weit gefasst.

Von Stephan Speicher, Berlin

Es klingt wie eine Antwort auf die Erfahrungen des Nationalsozialismus, ganz aus dem Geist der ersten Nachkriegsjahre: "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung (die des Grundgesetzes) zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

Hitler-Attentat am 20. Juli 1944
:"Stauffenberg wollte keine parlamentarische Demokratie"

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Matthias Kohlmaier

Tatsächlich wurde Artikel 20, IV erst 1968 ins Grundgesetz aufgenommen, im Zusammenhang mit der Notstandgesetzgebung. Bis 1968 brauchte es auch, eine erste kleine Ausstellung zum 20. Juli 1944 im Bendlerblock einzurichten, in dessen Hof Stauffenberg und vier weitere Verschwörer in der Nacht zum 21. Juli 1944 erschossen worden waren.

Der Widerstand gegen Hitler hat es in West-Deutschland lange Zeit sehr schwer gehabt. Er war die Sache einer kleinen Minderheit gewesen; ihn zu rühmen hieß, von der Anpassung der Mehrheit zu sprechen. Allmählich besserte sich das. 1989 wurde eine erweiterte Ausstellung im Bendlerblock eröffnet und nun, 25 Jahre später, gibt es eine dritte Auflage.

Ihr Gegenstand ist wie schon 1989 der gesamte Widerstand, der der Arbeiterbewegung und des Kommunismus, der christliche und militärische, der der Jugend, der Sinti und Roma und Juden - nicht aber sein Nachleben, bedauerlicherweise.

Die neue Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand gibt kein durchgreifend neues Bild ihres Gegenstandes, sie verleiht ihm einen modernisierten Auftritt. Die Ausstellungsarchitektin Ursula Willms (Berlin) hat mit dem Ulmer Büro Braun Engels freundliche, helle Räume gebaut. Die Farbgebung in leichtem Grün und Blau ist nicht auf Ernst und Trauer gestimmt, das wird auf das Publikum vermutlich einladend wirken.

Leichter zugänglich

Die alte Ausstellung war augenscheinlich textlastig. Zwischen 6000 und 8000 Schriftstücke gab es dort zu lesen, die weitaus meisten in den ausliegenden Mappen und Ordnern, aber auch die Wände waren dicht beschriftet.

Nun wirkt die Ausstellung leichter zugänglich. Es gibt überall Bildschirmstationen, auf denen weiteres Material bereitsteht, doch nur auf Nachfrage. Jeder kann für sich entscheiden, wie tief er in die Sache einsteigen will. Aber was wird sein, wenn eine größere Gruppe sich in einem Raum aufhält?

Das Bildschirm-Angebot geht erstaunlich weit ins Detail. So kann man im Raum zur "Roten Kapelle" die Ermittlungsakten der Gestapo einsehen und verfolgen, welche kriminalpolizeilichen Anstrengungen unternommen wurden, mehr über Verfasser und Absender der Denkschrift "Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk" herauszubekommen.

Weil es hier von Rätsel zu Rätsel geht, liest man unwillkürlich immer weiter. Aber ob es viele gibt, die das Urteil des Reichskriegsgerichts gegen Harro Schulze-Boysen stehend am Bildschirm studieren, mehr als zwanzig Seiten in enger Maschinenschrift?

Auch wenn die neue Ausstellung leichter und luftiger daherkommt als die alte, so hat sie das Materialproblem nicht abschütteln können. Sie ist ein Buch zum Widerstand geblieben, mit kurzen Einführungen, Quellentexten und Bildern. Das Ganze hochkopiert und an die Wand gehängt oder eben digital gespeichert.

Das ist allerdings leichter festgestellt als geändert. Konspirative Kräfte hinterlassen keine optischen Sensationen. Es kann wohl nur darum gehen, die Quellen so vorzustellen, dass die Besucher der Ausstellung anfangen, sich darin zu vertiefen.

In fast allen Räumen liegen wichtige Texte zum Mitnehmen aus: Die Regierungserklärung, mit der die Verschwörer des 20. Juli sich an die Deutschen wenden wollten, und die Denkschrift Schulze-Boysens, von Galens Predigt gegen die Euthanasie oder die "Grundlagen des Staatslehre", die der Kreisauer Kreis erarbeitet hatte.

Erfahrbare Dringlichkeit

Gewiss gibt es das alles längst im Netz. Aber das Faksimile der Typoskripte, eng beschrieben, mit Fehlern, Unsauberkeiten und Korrekturen, hat etwas von der Dringlichkeit, die den Netzdokumente in ihrer selbstverständlichen Allverfügbarkeit abgehen.

Der Begriff des Widerstands ist in der Dauerausstellung weit gefasst. Auch die Swing-Jugend gehört dazu. In Hamburg erlaubte sie sich 1941, den fiktiven "Reichsstatistenführer" mit Pomp am Hauptbahnhof zu empfangen und in der Kutsche zur Alster zu fahren. Man könnte es als einen couragierten Ulk sehen. Liest man aber die wutbebende Reaktion Himmlers, der KZ-Haft von zwei bis drei Jahren fordert ("dort muss die Jugend erst einmal Prügel bekommen"), dann denkt man anders darüber.

© SZ vom 01.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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