Neue Alben von Clapton, John und Plant:Sind wir unsterblich?

Was da gerade von Eric Clapton oder Elton John auf den Markt drängt, hat nur wenig mit der Musik der ersten Rockgeneration zu tun. Es ist ein Reliquienkult, der die Selbsthistorisierung des Pop auf die Spitze treibt.

Andrian Kreye

Als Bob Dylan den Radiomoderator Studs Terkel 1963 in seinem Studio in Chicago besuchte, wunderte sich Terkel über den jungen Sänger, den damals außerhalb der New Yorker Boheme noch kaum einer kannte. "Er war ein recht guter, junger Sänger, nur diese Tour mit der Sprache fand ich ein wenig albern", erinnerte sich Terkel später. "Eigentlich kam er ja aus einer gutbürgerlichen jüdischen Familie aus Minnesota. Gesprochen hat er aber wie ein Bergbauer aus den Appalachian Mountains. Das haben damals viele gemacht. Die Beatles oder Mick Jagger zum Beispiel. Das war damals so Mode - alles professionelle Proletarier."

CLAPTON

Sein Album "Clapton" schaffte es sogar auf den dritten Platz der deutschen Charts: Rockstars wie Eric Clapton kehren zum Blues zurück.

(Foto: AP)

Die Suche nach Authentizität an den unteren und äußeren Rändern der Gesellschaft und somit nach einer gewissen Form von Zeitlosigkeit im Pop ist nicht neu. Solche Suchen nach dem Blues gibt es in unregelmäßigen Zyklen. Derzeit schwingt das Pendel wieder einmal stark zu den Wurzeln. Das mag mit der exaltierten Künstlichkeit zu tun haben, die Lady Gaga in den vergangenen beiden Jahren in den Pop zurückgebracht hat. Oder auch ganz einfach mit dem fortgeschrittenen Alter der Musiker, die sich nun um jenen Widerspruch sorgen, der im Pop schon immer Lebenskrisen ausgelöst hat - der Wunsch nach Unsterblichkeit jedes Künstlers und die erfrischende Kurzlebigkeit des Pop.

In der Regel führte das zu überproduzierten Versuchen, das "Areal American Songbook", also Frank Sinatra zu beschwören. Nun haben sich Eric Clapton und der ehemalige Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant auf ihren neuen Alben auf Blues und Country besonnen, genauso Tom Petty, Sheryl Crow, John Mellencamp, Elton John und Cyndi Lauper. Mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.

Was da in diesen Wochen auf den Musikmarkt drängt und es in Eric Claptons neuem Album "Clapton" (Warner) gerade sogar auf den dritten Platz der deutschen Charts schaffte, hat nur noch wenig mit dem "Slumming" der ersten Rockgeneration zu tun, mit jenen Versuchen der fünfziger und sechziger Jahre, in amerikanischen Bluesspelunken, Arbeiterkaschemmen und Gospelkirchen eine Wahrhaftigkeit zu finden, die den neuen Genres des Pop Tiefgang geben sollte. Was jetzt stattfindet, ist ein Reliquienkult, der die Selbsthistorisierung des Pop auf eine neue Spitze treibt.

Es wird beispielsweise mit einer Verbissenheit nach originalen Instrumenten gefahndet, wie man sie sonst nur von Ensembles alter Musik kennt, die ausschließlich auf Instrumenten aus Cremona spielen. So haben Tom Petty und seine Band die Heartbreakers im Begleitheft ihrer neuen CD "Mojo" (Reprise) penibel aufgelistet, bei welchen Stücken Petty seine Gibson ES-335 Sunburst von 1964 spielt, bei welchen seine Gibson Hummingbird von 1964 und bei welchen seine Fender Stratocaster in "Fiesta Red" von 1965, wann Ron Blair seinen Fender Jazz Bass von 1965 einsetzt und wann seinen Fender Precision Bass von 1959.

Neben dem Instrumentarium spielt auch der Ort eine wichtige Rolle. Sowohl Cyndi Lauper als auch Sheryl Crow haben ihre neuen Alben in Memphis, Tennessee, aufgenommen, in jener Stadt am Nordrand von Mississippi also, in dem der Blues erstmals urbane Wurzeln geschlagen hat. Was sie dort suchen, hat Sheryl Crow jetzt gerade so ausgedrückt: "Ich bin 100 Meilen von Memphis entfernt in einer Kleinstadt aufgewachsen, und das hat nicht nur meinen Musikgeschmack geprägt, sondern auch mein gesamtes Weltbild. Wenn man von dort in Richtung Memphis fährt, sieht man weit und breit nur Felder, und die Leute, die dort leben, setzen auf die Gemeinschaft, sie sind gottesfürchtig und fest verwurzelt in dieser Region."

Nicht alle, die sich auf die Suche nach den Wurzeln des Pop machen, landen so einfältig im Dünkel eines missverstandenen Provinzialismus. Nicht alle produzieren dabei so belanglose Alben wie Tom Petty und Sheryl Crow. Aber nicht alle scheitern beim Versuch, die originalen Protagonisten des schwarzen Südens wie Allen Toussaint und die Studiomusiker des Rhythm-and-Blues-Labels Stax anzuheuern, an der begrenzten Dynamik der eigenen Stimme wie Cyndi Lauper. Solche Wallfahrten an historische Orte können sehr wohl gelingen.

Dem Nostalgismus unterworfen

Die Black Crowes mieteten sich im vergangenen Jahr in Levon Helms Scheune in den Wäldern bei Woodstock ein, um ihr Album "Before the Frost/Until the Freeze" (Silver Arrow) live und vor kleinem Publikum einzuspielen. Für eine Band, die sich dem Nostalgismus seit ihrem ersten Album so konsequent unterworfen hat, war das sicherlich der ideale Ort, um noch einmal zu sich selbst zu finden. Zum einen war Hausherr Levon Helm als leibhaftiger Redneck aus Arkansas unter den kanadischen Barmusikern in Bob Dylans Begleitmannschaft The Band schon immer so etwas wie ein Anker der Authentizität im Rock.

Mit Effekthascherei ist da nichts zu holen

Zum anderen ist der Druck, in einer Scheune mit höchstens zweihundert Zuhörern einen Funken zu schlagen, der überspringt, ein ganz anderer, als in einem Studio oder einem Stadion. Mit Effekthascherei ist da nichts zu holen. Noch konsequenter ist John Mellencamp vorgegangen, der den Großteil seiner Karriere als "Springsteen für Arme" verbrachte. Er hat sich in den vergangenen zehn Jahren als stilsicherer Archäologe der Amerikana profiliert, eine Entwicklung, die er nun mit seinem neuen Album "No Better Than This" (Universal) mit einem auf den ersten Blick nervtötenden Fundamentalismus vorantreibt.

Er hat sich mit einem antiquierten Ampex-601-Tonbandgerät auf die Reise begeben und sämtliche Songs mit einem einzigen RCA-Mikrofon aufgenommen. Die drei Aufnahmeorte sind historisch: das Sun Studio in Memphis, Tennessee (Johnny Cash, Jerry Lee Lewis und Elvis nahmen hier ihre ersten Demos auf), die First African Baptist Church in Savannah, Georgia (die erste schwarze Gemeinde Amerikas) und Zimmer 404 im Sheraton Gunter Hotel in San Antonio, Texas (weil es keine authentischere Amerikana gibt als ein Hotelzimmer in Texas).

Nun sind authentische Rahmenbedingungen, dünkelhafter Provinzialismus und die Suche nach dem musikalischen edlen Wilden sicherlich Missverständnisse. Ähnlich große Missverständnisse, wie der Glaube, man könne den Blues so leicht erlernen wie seine schlichten Akkordfolgen. John Mellencamp ist mit seinem Mono-Recorder ein so grandioses Album gelungen, weil er ein grandioser Musiker ist, der in der Reduktion erst zu sich selbst findet. Und dass man sich den Blues als Form zu eigen machen kann, ohne ihn gelebt zu haben, führten gerade die Briten immer wieder vor.

Das Missverständnis vom simplen Blues-Schema hat niemand so oft widerlegt wie Eric Clapton. Der reizt die harmonischen Grenzen des Genres auf seinem neuen Album souverän aus, verpasst Hoagy Carmichael und Irving Berlin einen lässigen Backbeat und läuft wie so oft mit seinem Freund und Vorbild J.J. Cale zu großer Form auf. Seinem Zeitgenossen Robert Plant gelingt das nicht ganz so überzeugend. Mit seiner "Band of Joy" (Universal) verlässt er sich zumindest rhythmisch zu oft immer noch auf das Bravado seiner Led-Zeppelin- Jahre. Aber er zeigt eben auch, dass der Blues für einen ehemaligen Sexgott ein legitimer Ausweg in den Ruhestand sein kann. Ähnlich wie Elton Johns Rückbesinnung auf seinen Country-Versuchen auf "The Union" (Universal).

Doch auch wenn all diese Alben solide und oft gelungen sind, eines sollte man schön bleiben lassen: den direkten Vergleich mit den Aufnahmen der Vorbilder. Dann landet man doch wieder bei jenem Reflex, den der Schriftsteller und "New Journalism"-Pionier Nick Tosches schon 1977 auf den Punkt brachte. In seinem Buch "Country - The Twisted Roots of Rock 'n' Roll" schrieb er im Kapitel über Minstrel Shows, das er treffend "Cowboys and Niggers" überschrieb: "23 Jahre später brachten uns die Rolling Stones eine neue Sorte Minstreltheater. Das war zwar Minstreltheater ohne schwarz geschminkte Weiße, aber es war eben doch Minstreltheater."

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