Neu im Kino: "Mamma Mia!":Teufel, es macht Spaß

Dass Meryl Streep Leidenschaft spielen kann, weiß man. Dass sie sie auch singen kann, ist neu. Die Abba-Musical-Verfilmung "Mamma Mia!" entschuldigt die Schwächen des Drehbuchs.

Susan Vahabzadeh

Wahrscheinlich haben sich die Abba-Lieder gehalten, weil sie immer schon kleine Dramen waren, perfekte kleine Pop-Stücke voller Leidenschaft und Herzblut.

Neu im Kino: "Mamma Mia!": Power-Frau - Meryl Streep singt sich die Seele aus dem Leib in "Mamma Mia!".

Power-Frau - Meryl Streep singt sich die Seele aus dem Leib in "Mamma Mia!".

(Foto: Foto: ddp)

In Phyllida Lloyds Verfilmung des Abba-Musicals "Mamma Mia!" kommt es einem jedenfalls so vor, als hätte jeder Song nun endlich den Auftritt, den er verdient hat. "The Winner Takes It All" als zentrale Arie, entscheidender dramatischer Moment - wenn Donna (Meryl Streep) den verlorenen Geliebten ansingt, von dem sie glaubt, er habe sie vor zwanzig Jahren für eine andere verlassen.

Mit dem Lied singt sie ihn nieder, als er ihr erklären will, dass alles ganz anders gewesen ist damals. "And I understand / You've come to shake my hand / I apologize / if it makes you feel bad / seeing me so tense", schmettert Meryl Streep leidenschaftlich.

Pierce Brosnan hat keine Chance

Dass sie sowas spielen kann, weiß man, dass sie's auch singen kann, ist neu. Dagegen hat Sam (Pierce Brosnan) nicht die geringste Chance, schon der Stimme wegen.

Die Dramatik liegt in den Liedern selbst und weniger in der Story, die die Autorin Catherine Johnson um sie herum gesponnen hat.

"Honey, Honey", singt Donnas Tochter Sophie, als sie die Amouren ihrer Mutter aus deren Tagebuch zum Besten gibt und dabei herausfindet, welche drei Männer als ihr Vater in Frage kommen, every Sam, Bill and Harry - die sie dann alle drei zu ihrer Hochzeit auf die griechische Insel einlädt, auf der sie mit ihrer Hippie-Mutter lebt.

"Under Attack", kreischt Sophie, als alle drei ihr Vater sein wollen, und "Our Last Summer" singen die drei Sophie vor, als sie ihr erzählen, wie Donna sie abserviert hat. "Slipping through my Fingers", seufzt die zurückgelassene Mutter, durch meine Finger rinnt die Zeit.

I began to sing before I could talk - eigentlich ist die Geschichte gar nicht so schlecht, sie ist nur schlecht erzählt, ungelenk, sprunghaft und löchrig.

Soundtrack macht vergebungsfreudig

Aber der Soundtrack macht einen irgendwie vergebungsfreudig, und in den Liedern liegt so viel Emotion, dass sie einen drüber hinwegtrösten, dass die Figuren relativ unmotiviert in der Gegend herumtanzen, weinen und lieben.

Es scheint auch den Schauspielern so gegangen zu sein, dass sie sich von der Musik einfach haben mitreißen lassen, den sechs mittelalten Stars, neben denen die kleine Sophie (Amanda Seyfried) ein wenig farblos wirkt: Streep mit ihren beiden Freundinnen - eine preisgekrönte Autorin (Julie Walters) und ein männermordender Vamp (Christine Baranski), und die drei Ex-Liebhaber, Sam (Brosnan), Bill (Stellan Skarsgard) und Harry (Colin Firth).

Die Lust und die Spielfreude, mit der sie sich hier zum Besten halten lassen, die muss etwas zu tun haben mit der Macht der Musik. Das sieht man ganz gut, wenn im Abspann der sonst eher spröde Colin Firth seinen inneren Disco-Tänzer rauslässt und mit den Hüften wackelt.

Mit Abba-Begeisterung allein auf weiter Flur

Als es Abba noch gab, galten die Songs als der geeignete Soundtrack für ein Leben als Sachbearbeiter oder ähnlich aufregungsfreie Biographien, der Rolling-Stone-Kritiker Lester Bangs war mit der intellektuellen Untermauerung seiner Abba-Begeisterung allein auf weiter Flur.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum "Mamma Mia!" als Frauengeschichte so tauglich ist.

Teufel, es macht Spaß

Als der Sound in den Neunzigern rehabilitiert wurde, vom guilty pleasure zum genialen Pop erklärt, hat sich retrospektiv das ganze damit verbundene Lebensgefühl verändert - Toni Collette stellte ihr langweiliges Dasein im Film "Muriel's Wedding" zu Abba-Liedern auf den Kopf, und seither wohnt ihnen ein Freiheitsdrang inne, für den sie in den Siebzigern gar nicht gestanden haben.

Vielleicht weil eine ordentliche Portion Mut dazu gehört, sich zu so viel schönem Schmalz und rosafarbenen Satin-Schlaghosen zu bekennen.

Das Herz am rechten Fleck

Und dabei macht das solchen Spaß - man muss nur mal Christine Baranski zusehen, wie sie einen jungen Knaben zu "Does Your Mother Know?" den Kopf verdreht.

"Mamma Mia!" ist ein Frauen-Power-Muscial - eine Frau, die immer allein durchkam, und ihre Tochter, die nicht einmal versuchen möchte, auf eigenen Füßen zu stehen.

"Mamma Mia!" kommt ein wenig tapsig daher, aber hat das Herz am rechten Fleck: Heiraten solle man nur, wenn man es wirklich will und es ganz genau weiß; eine Geschichte, in der es nicht so tragisch ist, wenn man nicht so genau weiß, von wem man schwanger geworden ist und die doch nie so tut, als wäre es nicht eine feine Sache, einen Vater zu haben.

Alles ist möglich

"Mamma Mia!" stellt eine Vielfalt von Lebensentwürfen gleichwertig nebeneinander, und da fällt einem, trotz all der Drehbuchschwächen, erst so richtig auf, wie wahnsinnig spießig "Sex and the City" ist - in seiner Putzsucht, die der totalen Heiratsfixierung dient.

Mit einer Besessenheit, die Jane Austen das Fürchten gelehrt hätte, von den Brontës ganz zu schweigen - die wussten vor hundertfünfzig Jahren, wie grauenhaft eine Zukunft ohne Alternative ist. In "Mamma Mia!" ist alles möglich, da passt die Federboa zur Latzhose.

Vielleicht ist "Mamma Mia!" so tauglich als Frauen-Geschichte, weil schon das Musical und nun auch der Film von einem Trio stammt, das Donna und ihren beiden Sidekicks nicht ganz unähnlich ist.

Peinliche Anleihen in der griechischen Antike

Dass sich drei Frauen haben durchsetzen können, schreibt Regisseurin Phyllida Lloyd dem skandinavisch-femistischen Geist ihrer beiden Chefs, der Abba-Männer Björn Ulvaeus und Benny Andersson, zu.

Die Produzentin Julie Craymer war schon bei der "Chess"-Produktion dabei, dem Muscial, das Ulvaeus und Andersson in den Achtzigern geschrieben hatten. Trotzdem konnte sie die beiden erst mal nicht überzeugen von der Idee, ein Musical aus den Hits zu machen.

Catherine Johnson war nicht die erste Autorin, die sich daran versucht hat. Ihre Story wurde genommen, trotz peinlicher Anleihen in der griechischen Antike, obwohl sie umständliche Details einfach weglässt - wie zum Teufel, haben sich die drei Männer plötzlich in der Vaterschaftsfrage geeinigt?

Da muss man als Zuschauer selbst ein bisschen Phantasie mitbringen, von "I Do I Do I Do" beflügelt. Ach, egal! Thank your for the music.

Mamma Mia!, GB 2008 - Regie: Phyllida Lloyd. Buch: Catherine Johnson. Kamera: Haris Zambarloukos. Musik: Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Stig Anderson. Mit: Meryl Streep, Pierce Brosnan, Colin Firth, Stellan Skarsgard, Amanda Seyfried. Universal, 108 Minuten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: