Neu im Kino: "300":Helden in der Krise

Iranische Politiker sehen in Zack Snyders Comicverfilmung "300" ihr kulturelles Erbe von den USA verunglimpft. Dabei ist der Film eher eine Parabel auf die Vereinigten Staaten unter Bush - allerdings unter umgekehrten Vorzeichen.

Fritz Göttler

Wie Dinosaurier kommen sie daher, die 300 plus Spartaner, eine wilde Herde, bei denen man nie ganz sicher ist, ob sie nun aus Liebe zur Freiheit und andere Ideale sich so vehement einsetzen oder aus Spaß am Kämpfen. Eine Ungewissheit, von der das Action-Kino in Hollywood seit Jahrzehnten lebt.

300 Protest Filmkritik

Gerade standen sie noch am Abgrund, jetzt sind sie schon einen Schritt weiter: Spartanischer Showdown im gleißenden Sonnenlicht.

(Foto: Foto: Warner)

Ein Saurier ist auch dieser Film, der vor einigen Wochen das drittbeste Startwochenende für einen splattrig-blutigen, nicht familientauglichen Film hinlegte, über 70 Millionen Dollar, und inzwischen die 200 Millionen ansteuert.

Ein Blockbuster, der nicht kalkuliert war - und die Profis und die Kritiker rätseln herum, wie dieses rumpelnde Ungetüm diese enorme Box-Office-Schubkraft entwickeln konnte. Vielleicht weil es ein Antidot ist, gegen die seit Jahren grassierende Entzauberung der Superhelden, die - von Superman und Batman bis Ghostrider - an ihrem eigenen Job irre werden, an ihrer Sendung zweifeln.

Sehr viel hat zu dieser Helden-Krise Frank Miller beigetragen, mit seinen düsteren Comic-Noir-Romanen. In seiner Jugend hatte er den Film "The 300 Spartans" gesehen - Amerikas Kids sind, in den Fünfzigern und Sechzigern, mit Antikenfilmen großgeworden, aus einheimischer wie aus italienischer Produktion.

Verhöhnung der "Philosophen und Knabenliebhaber"

In den Kriegerschwärmen der Spartaner und ihrem Einsatz im Widerstand gegen die persische Übermacht bei den Thermopylen hat Frank Miller die dämonische Seite der Antike lieben gelernt - die man sonst immer mit den Athenern identifiziert, den Licht- und Demokratiebringern. In Millers "300", den Zack Snyder nun auf die Leinwand bringt, werden die Athener als "Philosophen und Knabenliebhaber" verhöhnt. Die Spartaner ihrerseits schicken ihre Jungs in die Wildnis, wie die Indianer, und lassen sie das Überleben gegen die Wölfe dort erproben - ein Initiationsritus nach der Parole "Ein Spartaner kennt keinen Schmerz".

Robert Rodriguez und Frank Miller haben, als sie "Sin City" für die Leinwand gestalteten, nicht den Comic kopiert, sondern dessen visuelle Gestaltung genutzt, um über die Bewegungs- und Darstellungsgesetze des Kinos zu reflektieren. Zack Snyder nun ist nur auf eine Eins-zu-eins-Übertragung aus - und verfehlt damit beides, den Comic wie das Kino.

Am schönsten sind in seinem Film die Panoramen, die Landschaften, die nikotinstichigen Himmel, die an den amerikanischen Süden erinnern. Aber die Männer, die sich dort tummeln, bleiben leidenschaftslos und blass, verzetteln sich in hölzernen martialischen Sprüchen: Unsere Pfeile werden die Sonne auslöschen - so die Perser. Die Griechen: Dann werden wir im Schatten kämpfen.

Eine Kurschlussreaktion der Iraner

Wie viele andere kann auch "300" seine Action-Unschuld nicht bewahren im Schatten der aktuellen politischen und Mentalitätslage der USA, die sich verzettelten in einen zähen, aufreibenden Abwehrkampf gegen den islamistischen Osten. Iranische Politiker haben dementsprechend kurzschlüssig und wütend reagiert - sie sahen in dem Film ihr kulturelles Großmacht-Erbe verunglimpft, zur Dekadenz hin. Dabei kennt der Film kaum Unterschiede, auf beiden Seiten die gleichen, als Helden kaum brauchbaren Dumpfbacken.

Am Ende ist nicht mit dem Spartaner Leonidas George Bush gemeint, sondern mit Xerxes - der überhebliche imperiale Herrscher, der mit seiner Militärmacht den Griechenzwerg einstampfen wollte. Das ist Wahnsinn, meckert anfangs Xerxes' Gesandter, der den Spartanern eine freundliche Übernahme durch die Perser schmackhaft machen wollte, auf die harten Widerworte des Leonidas. Das ist Sparta, kontert der und kickt ihn mit dem Fuß in ein bodenloses schwarzes Loch.

Das ist so wider jede Gastfreundschaft und diplomatische Spielregeln wie die Aktionen der Iraner im Schatt al-Arab. Es ist die einzige Rhetorik, von der Leonidas etwas versteht, ansonsten quetscht er zähnefletschend seine markigen Sprüche an die Genossen aus dem übergroßen Brustkorb heraus. Den Mythos, den Frank Miller in seinen pointierten Bildern beschwor, zerbröselt der Film, wenn er diese in Bewegung versetzt. Eine eigene Dynamik gewinnt er dabei jedoch nicht.

(SZ v. 5./6.4.2007)

© 300, USA 2007 - Regie: Zack Snyder. Buch: Zack Snyder, Kurt Johnstad, Michael B. Gordon. Nach dem Comic von Frank Miller, Lynn Varley. Kamera: Larry Fong. Schnitt: William Hoy. Mit: Gerard Butler, Lena Headey, David Wenham, Dominic West, Michael Fassbender, Rodrigo Santoro. Warner, 116 Min. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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