Neu im Kino: "Fleisch ist mein Gemüse":Da klatschen die Apachen

Postpubertäre Not mit Musik: Aus Heinz Strunks Bestseller über die hochnotpeinliche Vorstadtjugend ist tatsächlich ein Film ohne Häme geworden.

Doris Kuhn

Es eilt diesem Film der Ruf voraus, es handle sich um eine Komödie, um eine hochgradig lustige dazu, denn um die Buchvorlage spann sich schon ein Lustigkeitskult, der Autor Heinz Strunk nennt sich Humorist, und überhaupt werde alles schwer dem Klamauk überantwortet, Deutschland und seine Einöden, Männer, Frauen, Jugend, musikalische Eigenarten. Aber das ist gar nicht so.

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"Da klatschen die Apachen": Stimmungssänger Gurki (2.v.r.) hat jederzeit einen aufmunternden Spruch auf den Lippen.

(Foto: Foto: ddp)

Der Film macht sich keineswegs lustig, weder über seine Figuren, noch über das, was sie tun, noch über das, was sie mitansehen müssen. Stattdessen ist er von abgründiger Melancholie. Er erzählt von der Jugend des Heinz Strunk, die dieser mit einer gemütskranken Mutter verbringt, mit der entstellenden Krankheit Acne Conglobata, mit viel Bier und keinen Mädchen. Eine Jugend also, die so trübselig ist, dass sie den Namen kaum verdient.

Die Geschichte hat biographischen Charakter, das Buch war eine Erinnerung an das Aufwachsen im Hamburger Hinterland, Mitte der Achtziger. Wenn man davon ausgeht, dass Erinnerung sich immer in das versöhnliche Licht von Sonnenuntergängen hüllt, kann man an dem, was hier übrigbleibt, ungefähr die Düsternis dieser Biographie ermessen.

Ins Freie

Der Film bewegt sich dementsprechend in einer Welt ohne Jugend, in der der Übergang vom Kind zum Erwachsenen durch nichts anderes bestimmt wird als durch Langeweile. Heinz Strunk, höchst sympathisch gespielt von Maxim Mehmet, verbringt seine Zeit paralysiert daheim auf der Couch, bis ihn eines Tages die Tanzkapelle Tiffanys anruft, die einen Bläser braucht für ihre Auftritte bei Dorf- und Schützenfesten, bei Hochzeiten und Karneval. Heinz Strunk spielt Saxophon, wesentlich besser, als es diese Band verdient, aber durch sie kommt er ins Freie, unter Menschen, manchmal trifft er sogar auf Frauen.

Die Band gewinnt ihr Gesicht durch Gurki (Andreas Schmidt), Sänger und Gitarrist, furchterregender König der launigen Sprüche, der als Einziger den Schrecken der Unterhaltungsmaschinerie richtig herzeigt. Er kennt weder Müdigkeit noch Überdruss - die seinen Mitspielern nicht fremd sind -, aber wenn er mit blonden Mädchen redet, weiß man schnell, wie es ist, mit glitschigen Wünschen dazustehen, halbwegs bemüht, nicht auszurutschen, während man wortlos taxiert und ans Ende der Warteliste gesetzt wird.

Hier gibt es große Momente der Postpubertät, in denen das Mienenspiel eines Mädchens mehr über die Sinnlosigkeit eines Männerlebens sagt als die vielen Sätze, die diesen sowieso nicht über die Lippen kommen. Deshalb muss Heinz Strunk - der echte Heinz Strunk - sie aus der Position eines Jägermeisterhirsches nacherzählen, armlos, an die Wand gehängt. Das wirkt wie eine kleine Reminiszenz an seine anderen Werke:

Keine Häme, nirgends

Hörspiele, Radio- und Fernsehshows, die Streiche der Heinz-Strunk-Rocko-Schamoni-Jacques-Palminger-Truppe "Studio Braun", die sich auszeichnen durch ihren gewaltbereiten Humor. Der wird hier, wie gesagt, eher abgemildert, was an der Regie von Christian Görlitz liegen mag, der sich bemüht, zwar Depression, bizarres Treiben, aber nirgends Häme zuzulassen. Ein großer Teil von "Fleisch ist mein Gemüse" sind Menschenansammlungen im Unterhaltungstaumel, da wäre die Versuchung durchaus groß.

Görlitz zeigt die Horden laut und hilflos, obszön und verzweifelt, wie Menschen eben aussehen im geballten Bemühen um Rausch, Vergessen, gute Laune. Der Film ist also allgemeingültiger als das Buch, sicher allgemein verträglicher, glücklicherweise weniger redundant. Er erinnert, neben allen Tanznummern, ganz unglamourös daran, dass Musik Leben retten kann, Musik in unterschiedlichsten Erscheinungsformen die unterschiedlichsten Leben.

FLEISCH IST MEIN GEMÜSE, D 2008 - Regie, Buch: Christian Görlitz. Kamera: Andreas Höfer. Ausstattung: Christian Eisele. Mit: Maxim Mehmet, Andreas Schmidt, Oliver Bröcker, Susanne Lothar, Anna Fischer, Livia S. Reinhard, Susanne Bormann, Heinz Strunk. Universal, 120 Minuten.

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