Neu im Kino: "Der Rote Baron":Piloten ist nichts verboten

Die schönen jungen Darsteller in "Der Rote Baron" wirken wie aus einem Mode-Katalog. Aufpassen müssen sie nur, dass ihr feiner Schal nicht in den Propeller kommt.

Franziska Augstein

Im Abspann des Films sind alte Fotos des Manfred von Richthofen und einiger seiner Geschwaderkollegen zu sehen: Die Männer sind nicht älter als die meisten Schauspieler, sie sehen aber reifer aus. Matthias Schweighöfer, der den Freiherrn von Richthofen darstellt, hat mit seinen 27 Jahren ein attraktives Bubengesicht. Das passt zum Film, der nur scheinbar vom Ersten Weltkrieg handelt. Letztlich ist "Der Rote Baron" eine klassische Entwicklungsgeschichte für Kinder. In dieser Variante ist sie mit Propellern versehen.

Manfred lernt, dass es nicht genügt, sich ehrgeizig hervortun zu wollen: Nur wer mit anderen fühlen und die eigenen Interessen auch einmal hintanstellen kann, hat das Zeug, ein ganzer Mann zu sein. Für die Vermittlung dieser Einsicht ist die Krankenschwester Käte zuständig, die wunderhübsch ist und zufällig immer dorthin beordert wird, wo Manfred sich gerade befindet.

Sie bringt dem verliebten Fliegerass bei, dass Krieg "kein Spiel" ist und viele Infanteristen auf Frankreichs Schlachtfeldern elend sterben. Ohne sie käme der Pilot auf diesen Gedanken nämlich nicht. Der Zuschauer kann ihm das nicht verdenken, er selbst erfährt auch nur wenig mehr, als dass da Briten, Franzosen und andere ohne jeden Grund gegen Deutsche kämpfen. (Manches andere wird angedeutet, verständlich gemacht wird es nicht.)

Lena Headey, die Käte spielt, bringt Empfindungen vor allem dadurch zum Ausdruck, dass sie die Brauen zusammenzieht, sodass sich Falten über der Nasenwurzel bilden. So, stellt man sich als Kind vor, macht man es, wenn man Schauspieler ist.

1917 und 1918 wurde die Technik des Luftkampfs systematisch entwickelt. Die Deutschen setzten ihre Flugzeuge in massierten Verbänden ein: Im Tiefflug griffen ihre Maschinen mit Handgranaten, Maschinengewehren und Bomben die feindlichen Soldaten an, die in ihren Gräben hockten. An diesem Fortschritt in der Kriegstaktik war Manfred von Richthofen beteiligt. Dass er die Kompetenz zu taktischen Entscheidungen gehabt hat, kommt im Film zur Sprache. Da er sich aber - unter Kätes Einfluss - allmählich in einen Kriegsgegner wandelt, muss seine militärhistorische Rolle hinter dem Klischee des "Roten Barons" zurücktreten, dem Klischee des fairen Offiziers, das schon zu seinen Lebzeiten gepflegt wurde.

Manfred liebt also die Fliegerei, weil er sich da wie "ein Falke" vorkommt. Das Abschießen gegnerischer Flugzeuge betrachtet er als einen "Sport". Ein paar Minuten lang führt er denn auch ein sehr männlich-sportliches Gespräch mit einem britischen Piloten, nachdem beide zufällig gleichzeitig auf demselben Feld notgelandet sind. Und zufällig handelt es sich um denselben Piloten, den er schon einmal abgeschossen hat und der ihn im April 1918 dann seinerseits abschießen wird.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum die schöne Käte im Bademantel übers Rollfeld rennen muss.

Piloten ist nichts verboten

Die Szene gibt die Gelegenheit, Joseph Fiennes auftreten zu lassen, der schön und düster in die Gegend blickt. Man kann nicht sagen, dass der Regisseur Nikolai Muellerschoen, der seinen Namen Müllerschön für englische Tastaturen handhabbar machte, seine Darsteller zu großen Darbietungen bewegt hätte. Eine der ganz wenigen Ausnahmen ist Axel Prahl. Er spielt zwar - dafür sorgt schon Muellerschoens Drehbuch - nur das Klischee eines kaiserdeutschen Generals, trotzdem ist er eindrucksvoll.

"Der Rote Baron" ist fürs internationale Publikum gedreht. Und weil der Freiherr von Richthofen seit jeher auch bei den ehemaligen Gegnern der Deutschen einen guten Namen hat, wird an dem Mythos nicht gekratzt. Edel wie ein Ritter kämpft er eigentlich immer nur Mann gegen Mann. In dieser Rolle hat Matthias Schweighöfer allerdings einen international anerkannten Konkurrenten: Snoopy ist als Gegner des Roten Barons mindestens ebenso überzeugend. Und die Gedanken, in denen er auf dem Dach seiner Hundehütte schwelgt, bevor die Pointe kommt, sind die gleichen pathetischen Phrasen, die in diesem Film ohne nachfolgende Pointe geboten werden.

Allerdings wäre es selbst Snoopy nicht eingefallen, mit dem amerikanischen Präsidenten so zu reden, wie Richthofen es hier mit seinem obersten Kriegsherrn tut. Dem deutschen Kaiser schlägt Manfred mal so eben vor: "Lassen Sie uns kapitulieren." Und Snoopys Schal, das muss man zugeben, ist weniger schön als der von Muellerschoens Baron.

So möchte man aussehen

Überhaupt ist die Ausstattung das A und O des Films. Die deutschen Flugzeuge sind mindestens so bunt bemalt, wie sie es einst wirklich waren; Manfreds hinzugedichteter jüdischer Freund hat sich - historisch unwahrscheinlich, aber schick - einen Davidstern auf seine Maschine setzen lassen. Jedes Möbelstück, das hier auf den Flugfeldern und in den Unterständen aufgestellt wurde, möchte man sich sofort in die Wohnung holen. Am wichtigsten ist natürlich die Kleidung. Sie vermittelt eine entscheidende Botschaft: So möchte man selbst aussehen. Das gilt für Jungen und für Mädchen.

Käte tritt anfangs in Schwesterntracht auf. Bald sieht man sie aber nur noch in todschicken Outfits, im Armani-Schlabberlook für die elegante Frau. Sie trägt ihre Haare offen, was zur Zeit des Ersten Weltkriegs nicht üblich war. Sie trägt bei jeder Gelegenheit Hosen, was erst recht nicht üblich war. Wenn man sie am helllichten Tag im Morgenmantel vor den versammelten Angehörigen der Jagdstaffel auf einer Wiese stehen sieht (die Stunden mit dem Roten Baron müssen heiß gewesen sein), wundert man sich schon nicht mehr. Im Gegenteil: Jetzt erst versteht man den Film. Es handelt sich offenbar um einen verfilmten Modekatalog, der nebenbei eine Handlung hat.

Und weil jede Modenschau suggestive Musik benötigt, hat man damit auch hier nicht gespart. Die Geigen jaulen, als es ans Küssen geht. Und die Luftkämpfe werden mit rauschender Orchestermusik unterlegt, was schon deshalb gut ist, weil die Musik darüber hinwegtäuscht, dass die vielen Nahaufnahmen von Piloten und die nur halb gelungenen, mit aberwitzig vielen Flugzeugen bestückten Trickfilmsequenzen etwas öde sind.

Ein einziges Bild ist neu, es ist das einzige, das in diesem Kinderfilm schockieren könnte: Käte, die als Krankenschwester mal für Offiziere zuständig ist und dann wieder für ein Lazarett mit fünfhundert Verletzten, führt Manfred durch ein Zelt. Da liegt einer der Soldaten, die man geules cassées nannte, einer der Männer, denen das Gesicht zerschossen wurde: So ein zerstörtes Gesicht haben die Maskenbildner kunstfertig zustande gebracht.

Während Manfred einen Freund nach dem anderen im Luftkampf verliert, unter ihnen Til Schweiger, lernt er, wie gesagt, das Wesentliche: Dass ein Krieg eine böse Sache ist. Im Gespräch mit seiner Käte bleibt er freilich bis zum Ende unbeholfen. "Du hast mir die Augen geöffnet", sagt der Mann, der achtzig Flugzeuge abgeschossen hat, "du bist mein größter Sieg."

DER ROTE BARON, D 2008 - Regie, Buch: Nikolai Muellerschoen. Kamera: Klaus Merkel. Mit: Matthias Schweighöfer, Lena Headey, Joseph Fiennes, Til Schweiger, Axel Prahl, Volker Bruch, Hanno Koffler. Warner, 120 Minuten.

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