Netzwerke:Digital unterrepräsentiert

Netzwerke: Spieleentwicklerinnen und Verfechterinnen von mehr Diversität: Rebekka Niederländer und Caroline Flesch (von links).

Spieleentwicklerinnen und Verfechterinnen von mehr Diversität: Rebekka Niederländer und Caroline Flesch (von links).

(Foto: Sebastian Gabriel)

Zwei Münchner Spieleentwicklerinnen setzen sich für mehr Diversität in der Gaming-Industrie ein

Von Laura Helene May

Die Zeit der Computerspiele liegt schon lange nicht mehr in der Zukunft. Die Gaming-Industrie setzt inzwischen mehr um als Hollywood. 2018 waren das weltweit über 120 Milliarden Euro. In Deutschland spielt jeder Zweite digitale Spiele, und die Spielindustrie stellt über 11 000 Arbeitsplätze. Dennoch wirken viele Zahlen der Branche nicht besonders modern. Beispielsweise sind nur 27 Prozent Frauen an der Entwicklung von Spielen beteiligt, und auch die Repräsentation von Minderheiten innerhalb der Spielwelten ist, trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren, nach wie vor sehr eindimensional. Mit der Gamergate-Affäre - einer Online-Belästigungskampagne - erlebten Sexismus und Rassismus in der Spielindustrie 2014 einen absoluten Höhepunkt.

Um in dieser Hinsicht etwas zu bewegen und Impulse für mehr Diversität in der Videospielbranche zu setzen, organisierten die beiden Spieleentwicklerinnen Caroline Flesch und Rebekka Niederländer vergangenen Samstag den "DEVersity Brunch der Münchner Games Branche" im Werk 1-Café. Der Name drückt den Wunsch nach mehr Diversity für Developer aus. Puh. So viele Anglizismen. Die beiden kennen sich seit ihrem Gamedesign-Studium in München und arbeiteten gemeinsam an dem 3-D-Puzzle-Spiel "Cubiverse", das mit dem Deutschen Computerspielpreis und dem Deutschen Entwicklerpreis ausgezeichnet wurde. Mit der Organisation dieser Veranstaltung möchten sie die stark männlich-weiße Gaming-Industrie für marginalisierte Gruppen öffnen, die sonst eher nicht zu brancheninternen Events gehen würden. Der Brunch für mehr Diversität ist ein gemütliches Zusammenkommen von Menschen mit einem gemeinsamen Nenner: dem Interesse an Computerspielen. Passend zur anglizistischen Szene findet das Ganze in einem Coworking Space statt, finanziert von der Games Bavaria und dem Mixtvision Verlag. Vor den Vorträgen konnten sich die Teilnehmer bei Essen und Trinken kennenlernen. Dieses Mal sprachen der Direktor der E-Sport-Agentur "All Your Base", Robin Rottmann, und der Gründer der Diskussionsplattform "Whammychat", Kavi Sen aus Sri Lanka, der mit seiner Plattform Diskussion und Spiel verbinden möchte. Eine weibliche Stimme im Rahmen der Vorträge gab es leider nicht.

Caroline Flesch freute sich über "viele unbekannte Gesichter". Denn so groß sei die Szene ja nicht. Nach dem bereits vierten Brunch sei dies das erste Event, welches sich explizit auf alle marginalisierten Gruppen in der Entwicklerbranche beziehe. Die vorangegangenen Erfahrungen hätten gezeigt, wie hoch der Bedarf nach Austausch mit Experten sei. Der Brunch biete die Möglichkeit, private und berufliche Netzwerke auf- und auszubauen. Auch für die Gaming-Szene sei es wichtig, Ideen aus Bereichen miteinzubeziehen, die von ganz anderen Berufsfeldern kämen. Vor allem bei dem Markt rund um die sogenannten Serious Games (Spiele deren primäres Ziel nicht die Unterhaltung ist), sei man auf Expertise aus anderen Bereichen angewiesen. Computerspiele könnten auch verstärkt zu Lernzwecken oder sogar zur Vermittlung sozialer Kompetenzen genutzt werden.

Laut Rebekka Niederländer sei vor allem zentral, dass man sich innerhalb eines sicheren Rahmens helfen könne und auch als Gruppe gemeinsam weniger angreifbar sei. Die Gaming-Branche müsse sich von innen heraus ändern und solidarischer, demokratischer und fairer werden. Denn wenn 40 Millionen Menschen allein in Deutschland die Inhalte und Werte der Branche rezipieren, habe diese auch eine wesentliche meinungsbildende Kraft.

Mit ihrem Diversitätsbrunch haben die beiden Spieleentwicklerinnen zumindest einen Grundstein dafür gelegt, dass theoretisch selbstverständliche Werte auch in der digitalen Spielewelt zur Normalität werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: