Netzkolumne:Summen und Beträge

Banksy-Ausstellung in Italien

Womöglich bald als Pixel erhältlich: Banksys "The Umbrella girl".

(Foto: Luca Bruno/dpa)

Schnell reich werden mit Kunst: Ein Start-up will "den Besitz von Meisterwerken demokratisieren", indem es Anteile an NFTs verkauft.

Von Michael Moorstedt

Menschen, die noch arg in der analogen Welt verhaftet sind, gehen, wenn sie mal Lust haben, ein wenig Kunst zu besitzen, in die örtliche Artothek. Dort wandelt man dann durch die Räume, darf die Bilder anfassen und sogar mitnehmen. Die einzigen Kosten sind ein kleiner Mitgliedsbeitrag und mit Sicherheit eintrudelnde Mahngebühren, wenn man mal wieder die Abgabe vergessen hat.

Leute, die dagegen meinen, sie wüssten, wie die Zukunft funktioniert, setzen eher auf NFTs, jene digitalen Eigentumsnachweise, die fast immer mit Kryptowährungen gekauft und verkauft werden und die mit jeder beliebigen digitalen Datei - sei es ein JPEG-Bild, ein Video oder ein Song - verknüpft werden können. Das Problem dabei ist nur, dass NFTs mit Potenzial inzwischen sagenhaft teuer geworden sind - und oftmals trotzdem von eher zweifelhafter Qualität.

Gleich beide dieser Probleme lösen will nun ein neues Start-up namens Particle. Das hat sich zur Aufgabe gemacht, große Kunst zu erstehen. Dann wird die Eigentumsurkunde eines Gemäldes in ein 100x100-Raster unterteilt, was zu 10 000 einzigartigen NFTs führt. Das erste Werk, das dieser Behandlung unterzogen wird, ist eine Banksy-Schablone mit dem Titel "Love is in the Air" aus dem Jahr 2005. Das Bild wurde bereits im Mai für knapp 13 Millionen US-Dollar von Particle ersteigert, Anfang kommenden Jahres soll dann die Auktion der Particles, wie die einzelnen Urkunden-Schnipsel genannt werden, starten. Es gehe darum, das "Eigentum von Meisterwerken zu demokratisieren", so die Macher. Freilich könne dann auch mit den einzelnen NFTs gehandelt werden.

Die "NFT-Revolution" sei keine kurzlebige Mode, hieß es letztens von der Art Basel

Ach ja, und was ist mit dem Werk an sich, also seiner physischen Repräsentation? Das wird freilich nicht selbst zerteilt, sondern zum Teil einer "gemeinnützigen Stiftung und eines physisches Museums, dessen Zweck es ist, die Sammlung im Namen der Particle-Gemeinschaft zu pflegen, zu erhalten und auszustellen". So heißt es jedenfalls auf der entsprechenden Website. Selbstverständlich werde es irgendwann auch eine digitale Entsprechung des Museums im Metaverse geben. Es handele sich um "eine neue Art, Kunst zu besitzen, zu sammeln und zu erleben" und sei nicht weniger als eine Neudefinition dessen, was es bedeutet, Kunst zu besitzen. Nimm dich in Acht, Artothek.

Doch sind die Menschen wirklich bereit, dieses neue Eigentums-Narrativ anzunehmen? Ein knappes Jahr, nachdem der Mainstream-Kunstmarkt das erste Mal von der Technologie hörte und neun Monate nachdem eine NFT-Datei bei einer Sotheby's-Auktion für die Fabelsumme von 69 Millionen US-Dollar versteigert wurde, lohnt es sich mal nachzuhören, wie der Stand der Dinge ist.

Die "NFT-Revolution" sei keine kurzlebige Mode, so hieß es letztens in einem von der Art Basel veröffentlichten Text. Zum Beweis wurde über allerhand Galerien und deren Künstler geschrieben, die in dem unübersichtlichen Markt mitmischen. Interessanterweise ging es in dem Beitrag der Kunstmesse aber nur ganz am Rande um Werke und Positionen, oder um die Frage, ob die Krypto-Dateien eventuell ein signifikantes Kulturprodukt sind, das uns etwas Tiefgründiges über digitale Konsumerlebnisse erzählen könnte. Sondern vielmehr um Summen und Beträge. Den schwelenden Verdacht, dass NFTs nur ein System sind, mit dem man schnell reich werden kann, das sich als Kultur tarnt, wird man so nicht los.

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