Süddeutsche Zeitung

Netzkolumne:Der Supersuperstar

Lesezeit: 2 min

Der Schwede "PewDiePie" ist der Youtuber mit den meisten Abonnenten weltweit. Jetzt bekommt er Konkurrenz aus Indien. Seine Fans lassen sich das nicht bieten.

Von Michael Moorstedt

Man ist im Leben bislang gut ausgekommen, ohne zu wissen, wer "PewDiePie" ist. Spätestens jetzt aber hat es der junge Mann mit dem bürgerlichen Namen Felix Kjellberg geschafft, die Welt zu verändern. Seit Jahren ist PewDiePie der Youtube-Nutzer mit den meisten Abonnenten weltweit. Mehr als 75 Millionen Menschen bekommen eine Benachrichtigung, sobald er ein neues Video hochlädt. Doch seit einiger Zeit droht ein anderer Kanal ihm den Rang abzulaufen. Auf dem werden nur Musikvideos und Filmtrailer aus dem Bollywood-Kosmos gezeigt. Nur noch 150 000 Abos trennen die beiden - ein mikroskopisch kleiner Vorsprung in diesen Dimensionen.

Nun könnte man meinen, dass die Entthronung unausweichlich ist. Es gibt einfach demografisch vermutlich ein größeres Publikum für Bollywood als für die Nerd-Weltschmerz-Videospiel-Melange von Kjellberg.

PewDiePie-Fans wollten dem nun nicht mehr länger zusehen. Von Rumänien bis Bangladesch klebten sie Aufkleber auf Ampeln und Laternenpfosten, die zum Abo des Schweden aufforderten. Die richtig hartgesottenen Jünger mieteten sogar Platz auf Plakatwänden und Litfaßsäulen. Vor Kurzem eskalierte der Streit, als plötzlich Zehntausende Drucker auf der ganzen Welt begannen, PewDiePie-Werbung zu drucken. Betroffen waren nicht nur Netzwerkdrucker in Büros und privaten Haushalten, sondern auch Kassenautomaten in Restaurants und Geschäften, sogar auf einer Polizeiwache.

Im Zeitalter des Internet of Things werden nicht mehr nur Computerprogramme gehackt, sondern auch physische Geräte. Man kann das Ganze ja auch sehr einfach weiterspinnen. Genau wie Drucker sind auch Fernseher, Glühbirnen oder Mikrowellen längst ans Netz angeschlossen. Und genau wie bei den Druckern könnten auch diese Geräte zu Übertragungsvektoren von Propaganda werden. Hierin besteht dann auch die eigentliche Innovation: Geräte werden nicht mehr nur gekapert, um DDoS-Attacken zu starten oder um von deren Besitzern Lösegeld zu erpressen, sondern um die eigene Agenda gewaltsam in die Haushalte und Büros von Abertausenden Ahnungslosen zu pressen.

Was aber, wenn sich nicht nur harmlose Youtube-Fans die schutzlosen Drucker aneignen? Sondern Reichsbürger etwa, Impfgegner oder Menschen mit ähnlich verqueren Ansichten.

Tatsächlich ist es genau dazu auch schon gekommen. Anfang des letzten Jahres begannen etwa zahlreiche Drucker an mehreren amerikanischen Universitäten, antisemitische Hassparolen auszuspucken.

Im Netz geht es aber nie nur um Politik, sondern immer auch ums Geschäft. Und deshalb entstand bereits kurz nach dem Youtube-Vorfall eine Website namens Printeradvertising.com. Deren Macher versprechen, jedwede Botschaft auf die Drucker dieser Welt zu schicken. Digital-analoger Spam, sozusagen. 250 US-Dollar verlangt man für eine globale Kampagne. Ein Spottpreis. Im Grunde haben sich die postmodernen Flugblattautoren also einer relativ alten Kulturtechnik erinnert. Nämlich des Faxgeräts. Die Macher haben auch schon eine ganz spezielle Zielgruppe im Sinn: Unternehmen, die Toner und Druckertinte vertreiben und herstellen.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018
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