Süddeutsche Zeitung

Netz-Depeschen:Nett genug

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Deutlicher kann man nicht zum illegalen Download aufrufen: Nach einem Streit mit der Plattenfirma verkauft DJ Danger Mouse den Kunden einen leeren CD-Rohling.

Niklas Hofmann

Man hätte es für einen drastischen Marketingeinfall, ein Fanal der Plattenindustrie halten können. Einer der kreativsten Musikproduzenten der letzten Dekade kündigt sein neues Album an, verkauft es in Luxusausstattung zu fünfzig Dollar das Stück - und dann erhält der Kunde nur einen CD-Rohling. Seht, hätte die Plattenindustrie sagen können, das habt ihr nun von eurer Musikpiraterie. Dann bleibt die Küche eben kalt. Bloß erteilt mit dem unbespielt erscheinenden Album "Dark Nights Of The Soul" eben nicht die Plattenindustrie den Käufern eine Lektion, sondern ihr wird von Brian Burton, alias DJ Danger Mouse abermals ein Schnippchen geschlagen.

Denn die Musik, die auf dem Silberling fehlt, existiert durchaus. Danger Mouse, vor allem als eine Hälfte des Neo-Soul-Duos Gnarls Barkley zu Ruhm gekommen, hat "Dark Night Of The Soul" gemeinsam mit der Band Sparklehorse produziert. Nicht genug damit, dass sich prominente Gastsänger von Iggy Pop über Suzanne Vega bis zu Julian Casablancas von den Strokes oder Nina Persson von den Cardigans das Mikro in die Hand geben, dritter im Bunde ist der Filmemacher David Lynch. Mit eigenen, von der Musik des Albums inspirierten Fotos hat er einen opulenten Bildband gestaltet und sprechsingt auch selbst.

Vor gut drei Wochen kündigte Danger Mouse an, dass "Dark Nights" wegen "fortdauernder Streitigkeiten" mit der Plattenfirma EMI nicht erscheinen könne, ohne dass er fürchten müsse, verklagt zu werden. Stattdessen vertreibt Danger Mouse auf der Seite dnots.com nun das Artwork in Form des Lynch-Buchs und eines Posters. Dazu legt er die Rohlinge zur ausdrücklich freien Verwendung bei und wünscht viel Spaß beim Hören der Musik "egal auf welchem Weg". Deutlicher kann man zum illegalen Herunterladen am Label vorbei nicht aufrufen, zumal ein offizieller Download weder gratis noch kostenpflichtig angeboten wird. Anhören allerdings kann man das Werk auf legalem Wege, und zwar auf den Internetseiten des amerikanischen National Public Radio.

Was genau hinter dem Streit mit EMI steckt, bleibt ungewiss. Es ist aber nicht das erste Mal, dass der Künstler spektakulär mit der musikrechteverarbeitenden Industrie aneinanderrasselt. 2004 hatte Danger Mouse das White Album der Beatles mit dem Black Album des Rappers Jay-Z in einem gewagten und nicht autorisierten Remix zu seinem Grey Album fusioniert. Paul McCartney nahm es gelassen und trat danach gar in Konzerten mit Jay-Z auf. Die EMI aber fühlte sich in ihren Rechten am White Album verletzt und ließ den DJ abmahnen. Dass sich das Grey Album danach erst recht massenhaft verbreitete, konnte sie so nicht verhindern. Im Gegenteil, EMI vs. Danger Mouse wurde zu einer cause célèbre der Musikpiratenbewegung.

Entsprechend respektvoll geht das sonst so anarchisch gesinnte Völkchen der Musiktauscher mit dem Projekt um. Als in den Kommentaren der berüchtigten Dateiinfo-Tauschbörse Pirate Bay auch noch nach Scans der Lynch-Fotos gefragt wurde, schallte nichts als Missbilligung zurück: "Es war doch schon nett genug von Danger Mouse, uns das Okay dafür zu geben, das Album herunterzuladen. Geht los und kauft euch das Buch!"

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SZ vom 8.6.2009/bey
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