Netz-Depeschen:Mit dem Finger am "Kill Switch"
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Freiheit wird gefordert, Zensur geboten. Weltweit wollen Regierungen das Internet unter Kontrolle bringen. In den USA ist ein Gesetz geplant, dass es dem Präsidenten erlaubt, in Krisenzeiten einfach den Stecker zu ziehen. Doch die User suchen Gegenmittel - Darknet ist eines davon.
Michael Moorstedt
Eine gewisse Schizophrenie im Umgang mit dem Internet kann man den Regierungen der Welt nicht absprechen. Zum Beispiel die USA: Da wird zum einen ein freier Zugang zum Netz zum Beispiel in arabischen Staaten gefordert und gefördert, und doch kann es passieren, dass ernsthaft überlegt wird, ein Gesetz wie den Stop Online Piracy Act (SOPA) einzuführen.
Das Gesetz würde, so Beobachter, die Piraterie nicht verhindern, den US-Behörden aber die Möglichkeit geben, unliebsame Websites zu zensieren. Seiten, die vermeintliche Urheberrechte verletzen, würden dann auf eine schwarze Liste gesetzt und mittels DNS-Filtern, wie sie auch in China oder Iran eingesetzt werden, blockiert. Ein anderer Gesetzesentwurf sieht einen sogenannten " Kill Switch" vor, mit dem der Präsident in Krisenzeiten den Netzzugang für das ganze Land kappen könnte.
Trotz alledem meint Jerry Brito auf dem Techland-Blog des Magazins Time eine Gegenbewegung ausmachen zu können. Das Bezahlsystem Flattr, die Cyber-Währung Bitcoin oder dezentrale soziale Netzwerke wie Diaspora und identi.ca, eine Open-Source-Version von Twitter, sind für ihn Zeichen einer "Evolution der Dezentralisierung", um elektronische Überwachung und Zensurmaßnahmen zu umgehen. Das Prinzip sei das Gleiche, wie nach der Abschaltung der Tauschbörse Napster. Kurz darauf wurde das BitTorrent-Protokoll erfunden, das schwieriger zu kontrollieren ist.
Momentan laufen sogar einige Projekte, die auch die physische Ebene des Internet dezentralisieren wollen. Das Mittel der Wahl sind sogenannte Mesh-Netzwerke, in denen es keine zentralen Verteilknoten gibt, sondern jeder Teilnehmer mit einem oder mehreren anderen verbunden ist. Ein solches freies Parallelnetz nennt sich Darknet und bildet sozusagen eine zweite Schicht unter dem herkömmlichen Internet. Ähnliche Dienste existieren bereits. Programme wie Freenet oder Tor ermöglichen ein beinahe unkontrolliertes Surfen. Doch bei all diesen Maßnahmen und Alternativen gibt es ein Problem: letztendlich müssen sich die Nutzer noch immer bei einem Service-Provider anmelden, um überhaupt in den Online-Genuss zu kommen.
Wir brauchen unser eigenes Internet!", heißt es deshalb von Seiten der Aktivisten, die überlegen, wie sich ein Darknet auf globaler Ebene verwirklichen lassen könnte. Während das "Project Darknet" noch in der Konzeptphase steckt, ist das Konkurrenzprojekt "Project Kleinrock" - benannt nach Leonard Kleinrock, einem Pionier der elektronischen Datenübertragung - schon einen Schritt weiter. Dafür verstärken normale Wifi-Router das Signal, je mehr Geräte mitfunken, desto größer und stabiler wird das Netz. Momentan, so die Macher, sei man in der Lage, eine Kleinstadt mit diesem unkontrollierbaren Internet zu versorgen. Ein größeres Netzwerk ist aufgrund von Beschränkungen der Bandbreite momentan kaum möglich.