Süddeutsche Zeitung

Netz-Depeschen:Keine Zeit mehr für Facebook

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Noch wachsen soziale Netzwerke weiter. Doch wie lange noch? Auf einer Web-Konferenz propagiert ein Experte erstmals den baldigen Zenit von Facebook und Co.

Michael Moorstedt

Trotz aller selbst verordneten Körperlosigkeit trifft sich die Online-Welt alle paar Monate auch in Fleisch und Blut. Auf Konferenzen wie dem Web 2.0 Summit, Lift oder The Next Web bespricht man Gegenwart und Zukunft.

Die Atmosphäre auf solchen Veranstaltungen ist fast immer gnadenlos optimistisch. Man kennt und schätzt sich, man vergewissert sich gegenseitig des scheinbar ewig anhaltenden Booms. Warum sollte es auch zu Ende gehen? Moores Law postuliert, dass sich die Leistung von Computerprozessoren alle zwei Jahre verdoppelt. Gilt das auch für die Menge aller geteilten Informationen und Daten in sozialen Netzwerken? Die Hypothese existiert - Spaßvögel nennen sie Zuckerbergs Law.

Eine der bedeutendsten Konferenzen in Europa ist Le Web, die vergangene Woche in Paris stattfand. Von Airbnb bis zeptolab präsentierten dort ein paar dutzend Start-Up-Gründer ihre Ideen. So gut wie alle Unternehmen haben mit der Vernetzung von Menschen zu tun - und damit, währenddessen ihre Daten abzugreifen und zu vermarkten.

Da kommt es natürlich gar nicht gut an, wenn sich einer hinstellt und behauptet, all die gerade noch bejubelten Geschäftsmodelle seien schon bald zum Scheitern verurteilt. Den Buhmann gab am Freitag George Colony, Chef des Marktforschungsunternehmens Forrester Research.

Colony betrachtet die Branche mit einem unerbittlichen BWL-Blick. Er sagt, der Markt sei schlicht saturiert. Soziale Services könnten auch deshalb schon bald nicht mehr wachsen, weil es auch hier eine endliche Ressource gibt: die Zeit der Nutzer. Facebook und Co. nähmen schon jetzt mehr Zeit in Anspruch als Sport machen, beten oder telefonieren.

Es gäbe auch bald keine neuen Zielgruppen mehr: In den USA sind 86 Prozent aller Menschen mit Onlinezugang auf einem oder mehreren sozialen Netzwerken angemeldet, in Europa 80 Prozent. Schon bald würden Start-Ups, welche Zeitverschwendung propagieren, ernsthafte Probleme bekommen. Die Zeit, die Nutzer für neue Dienste aufzuwenden bereit sind, nähme immer weiter ab.

Anwendungen, die auch in Zukunft noch erfolgreich sein wollen, müssten vielmehr als soziale Agenten fungieren, die das Leben ihrer Nutzer im Hintergrund effizienter machen. Colony nennt das die Post-Social-Ära - und erntet Buhrufe aus dem Publikum.

Doch er bleibt hart: " Nonsens wie Foursquare" könne schon bald das gleiche Schicksal ereilen wie pets.com. Der Onlineversandhandel für Haustierbedarf war einer der letzten großen großen Börsengänge, bevor die Dotcom-Blase platzte. In den knapp anderthalb Jahren seiner Existenz vernichtete das Unternehmen mehr als 300 Millionen Dollar.

Dennis Crowley, CEO von Foursquare, hat den Einschätzungen des Marktforschers natürlich entschieden widersprochen. Praktischerweise kam er nur ein paar Stunden nach Colony auf das Le-Web-Podium. Man ist eben unter sich.

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Quelle:
SZ vom 12.12.2011
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