Netz-Depeschen:Ich will keine Schokolade

Was für Charlie die Schokoladenfabrik war, ist für den Schriftsteller Stephen Fry die Firma Apple: Er ist der eloquenteste Anwalt der Geek-Szene in der Sphäre Tweed tragender Teetrinker.

Niklas Hofmann

Gleich mit dem zweiten Macintosh, den Steve Jobs im Vereinigten Königreich verkaufte, hatte er Stephen Fry an der Angel. Der damals noch jugendliche Autor und Schauspieler erwarb das Gerät beim Verkaufsstart 1984; wie er selbst sagt, kam ihm nur der Schriftsteller Douglas Adams zuvor. Den Computer verschenkte Fry der Legende nach zwar schon 1986 an eine Dorfschule in Norfolk, aber die Leidenschaft für alles, was das Apfel-Logo trägt, hält sich bei ihm mit kindlicher Begeisterung bis in die Tage des iPad. "Was Willie Wonka für Charlie war, ist Steve Jobs für mich", bekannte er erst am Freitag in Anspielung auf den sagenhaften, verführerischen Schokoladenfabrikbesitzer aus dem gleichnamigen Film.

Charlie und die Schokoladenfabrik

"Was Willie Wonka für Charlie war, ist Steve Jobs für mich", bekannte Stephen Fry am Freitag. Doch seine Technikleidenschaft beschränkt sich nicht nur auf die Firma Apple.

Weil sich seine Technikleidenschaft aber längst nicht nur auf Apple-Produkte beschränkt, ist der Bühnen- und Bestsellerautor, Fernsehmoderator und Filmschauspieler Fry inzwischen zum eloquentesten Anwalt geworden, den die Geek-Szene in der Sphäre Tweed tragender Teetrinker mit Cambridge-Erziehung hat. "What I wish I'd known when I was 18" ist Frys jüngstes, gut halbstündiges, sehr sehenswertes Interview zum Thema betitelt, das auf der Plattform Vimeo online gestellt wurde.

"Technik ist ein Spiegel", so Frys Einstieg, "wenn ein Idiot hineinschaut, kann man nicht erwarten, dass ein Apostel zurückblickt". Seine Ratschläge für eine jüngere Generation sind eine einzige Ermunterung zur Offenheit für Computer, für Technik, vor allem aber für Soziale Netzwerke, die der Kulturschaffende Fry gar nicht als zeitfressende Zerstreuungszentralen erlebt.

In einem älteren Vimeo-Clip aus dem Januar schwärmt Fry von den Gesprächen über Evelyn Waugh, die er online mit einer vermutlich 12-Jährigen geführt habe. Und zieht Anthony Trollope heran, um die Angst vor der Verwahrlosung der kommunikativen Sitten durch Social-Media-Plattformen zu relativieren. Der habe schließlich durch die von ihm selbst als Postverwaltungsbeamten eingeführten Briefkästen den Zusammenhalt der viktorianischen Gesellschaft in Gefahr gesehen - konnten Frauen doch nun unkontrolliert Briefe an jederman und vor allem jeden Mann versenden.

Anders als bei anderen kommt Frys Gezwitscher nicht aus einer Einbahnstraße. Während seiner Landsfrau, der Sängerin Lily Allen, mehr als zwei Millionen Menschen folgen, interessiert sie selbst sich nur für die Äußerungen von 72 Mit-Twitterern. Fry dagegen folgt mehr als 50 000 anderen Nutzern auch selbst, und er antwortet ihnen. Für einen Wettbewerb der Zeitung Guardian sucht Stephen Fry übrigens noch bis Freitag die "schönste jemals geschriebene Twitter-Meldung".

Eine Grenze hat Frys Liebesaffäre mit der Netzcommunity allerdings erreicht. Die Kommentarfunktion in seinem Blog hat er zumindest für seinen jüngsten Beitrag abgestellt, und bekennt sich auch in dem Clip zu einer wachsenden Aversion: "Die Art Menschen, die Kommentare hinterlassen, sind so seltsam und unglücklich und einsam und merkwürdig", dass er ihre giftigen Ergüsse einfach nicht mehr lesen wolle.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: