Netz-Depeschen:Ein Blog sieht rot

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Der Medienkonzern Viacom beschimpft YouTube, Urheberrechtsverletzungen zu tolerieren, YouTube schlägt nicht weniger schmutzig zurück. Das Netz lacht über den Schaukampf.

Johannes Boie

Es gibt Firmen in der Unterhaltungsindustrie, die verdammen das Internet. Sie wehren sich gegen den digitalen Wandel, meist verzweifelt, meist vor Gericht - und meist ohne Erfolg. Es gibt aber auch Firmen, die sich mit der neuen digitalen Welt arrangieren und sie langsam für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Und dann sind da noch jene Unternehmen, die beide Strategien gleichzeitig anwenden.

Zur letztgenannten Gruppe zählt, wenn man einer Google-Tochterfirma, dem Internetportal YouTube, glauben darf, offensichtlich der amerikanische Medienkonzern Viacom - der neben Film- und Radioproduktion auch Kinoketten und die Fernsehsender MTV, Comedy Central und Nickelodeon betreibt. Wie viele Rechteinhaber hat Viacom ein Problem mit YouTube - nämlich jenes, dass man Ausschnitte des eigenen Programms dort kostenlos anschauen kann. Viacom hat YouTube deshalb verklagt - und zwar mit einem durchaus pikanten Schriftsatz.

In dem zitiert das Unternehmen lang und breit aus YouTube-internen E-Mails, die belegen sollen, dass die Mitarbeiter des Internetportals Urheberrechtsverletzungen in der Absicht tolerierten, die Zugriffszahlen immer weiter zu erhöhen. Die E-Mails sollen teilweise sogar von YouTube-Gründer Steve Chen stammen. Google lässt sich einen solchen Angriff auf ein Tochterunternehmen nicht bieten. Jetzt schlug der Riesenkonzern im Namen von YouTube zurück - und zwar auf ebenso schmutzige Weise, wie der Viacom-Angriff erfolgt war.

Unter der durchaus ironischen Überschrift "Broadcast Yourself", die eigentlich das Motto von YouTube ist, attackieren die Google-Strategen den Gegner in ihrem offiziellen Firmenblog. "Broadcast Yourself" nämlich deshalb, weil Viacom laut dem Blogeintrag "über Jahre hinweg nicht weniger als 18 Marketingagenturen beschäftigte, die heimlich Viacom-Inhalte auf YouTube hochluden". Die Videos seien extra in ihrer Qualität verschlechtert worden und unter obskuren Namen oder mit gefälschten E-Mail-Adressen auf der Plattform eingestellt worden, damit niemand bemerke, dass sie direkt vom Rechteinhaber verbreitet würden, behaupten die YouTube-Strategen. Dies habe Viacom gemacht, damit die eigenen Sendungen auch im Netz wahrgenommen würden. Gleichzeitig habe sich das Unternehmen jedoch öffentlich über YouTube beschwert. Einen Beweis für die Argumentation blieb der Blogeintrag schuldig; es ist jedoch unwahrscheinlich, dass man sich mit so einer heiklen Geschichte vorwagen würde, wenn sie nicht rechtlich gedeckt wäre. Viacom war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

Während das Netz über den Schaukampf herzlich lacht, dürften sich die Rechtsanwälte bei Viacom und Google jedes Grinsen verkneifen: Der Streitwert des Prozesses beträgt eine Milliarde US-Dollar.

© SZ vom 22.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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