Netz-Depeschen:Auf dem Präsentierteller

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Eine Million Wege gebe es, um mit Twitter Geld zu verdienen, behaupten die Macher. Nun hat der Dienst sein Geschäftsmodell vorgestellt: Er verkauft die Gedanken seiner Kunden.

Michael Moorstedt

Na klar, könne man mit seinem Dienst auch Geld verdienen, sagte Evan Williams, Mitgründer und bis vor kurzem CEO von Twitter auf dem Web 2.0 Summit in San Francisco, der Versammlung jener Start-up-Gründer, Geldgeber und anderer Mitredner, die einmal im Jahr auf Geheiß von Tim O'Reilly zusammenkommen, um über das Geschäft und vor allem sich selbst zu diskutieren.

Heutzutage sind es vor allem die Nutzerdaten, um die sich die neuen Geschäftsmodelle drehen. Aber darf man sich über Twitter und Co. beschweren, wenn man selbst bereitwillig seine 160-Zeichen-Befindlichkeit in die Weite des Internet absetzt? (Foto: ZBSP)

Es gebe sogar "eine Million Wege, um Geld zu verdienen", sagte Williams mit einem solchen Selbstbewusstsein, dass seine Investoren alle Bedenken kurz vergaßen. Immerhin wird der Wert von Twitter ungefähr mit drei Milliarden Dollar beziffert. Die Suche nach einem Umsatzmodell von Substanz gestaltet sich allerdings immer noch schwierig.

Gerade in den letzten Wochen überlegen die Risikokapitalgeber, ob im Umfeld der selbst ernannten Internetelite gerade eine neue Blase entsteht. Immer mehr Geld wird für immer vagere Geschäftsmodelle in die Hand genommen, schreibt das Wall Street Journal. Wie vor zehn Jahren der E-Commerce sind es heutzutage die Nutzerdaten, um die sich die meisten Ansätze drehen. Und davon hat der Kurznachrichtendienst Twitter eine ganze Menge. Mehr als 65 Millionen Tweets rauschen jeden Tag durch die Server des Unternehmens.

In der vergangenen Woche scheint Twitter nun doch noch einen Weg gefunden zu haben, die Eitelkeits-Updates der User in für den Geschäftsbericht verwertbare Ziffern zu verwandeln. Denn kurz vor seiner Präsentation verkündete Williams eine Kooperation seines Unternehmens mit dem Social-Media-Analysedienst Gnip.

Die Firma sammelt die öffentlich zugänglichen Datenhäppchen, die von den Nutzern auf die diversen Web-2.0-Plattformen geladen werden und bereitet sie anschließend statistisch auf. Das versuchen Drittanbieter zwar schon seit einiger Zeit, hatten aber nie Zugriff auf das volle Volumen. Für einen Pauschalpreis - eine mittlere sechsstellige Summe - können sich Werbetreibende nun eine institutionalisierte Analyse der geballten Webaffekte erkaufen. Die eingehenden Usermeldungen können nach bestimmten Begriffen, Firmennamen, Produkten oder auch Benutzernamen durchsucht werden.

Unternehmen, die sich nun an die Twitter-Gnip-Allianz wenden, wollen vor allem wissen, wie die Kundschaft tickt. Man erhofft sich eine veritable Glaskugel: Welche Nachrichten sind populär und werden weiter verbreitet? Wer hat aus welchen Gründen welchen Nachrichtenfeed abonniert oder wieder abbestellt? Wie kann man sich an ein größeres Publikum heranmachen? Wie oft und in welchem Zusammenhang spricht die Netzgemeinde über das eigene Produkt?

Wenn sich unter den Twitternutzern nun leises Unbehagen breit macht, geht es dabei weniger um Fragen des Datenschutzes - schließlich sollte man sich, bevor man die erste 160-Zeichen-Befindlichkeit in die Weite des Internet absetzt darüber im Klaren sein, dass hier jeder mitlesen kann. Sondern vor allem darum, womit Twitter nun sein Geld verdient. Es verkauft die Gedanken seiner Kunden.

© SZ vom 22.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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