Netz-Depeschen:Alles nur Elektroschrott?

"Das Internet ist anders." 15 Journalisten, Blogger und Medienberater formulieren im "Internet-Manifest" den Anspruch an den Journalismus im Netz.

Johannes Boie

Man könnte einen Text, der 17 Allgemeinplätze über Journalismus im Internet enthält, natürlich mit "17 Allgemeinplätze über Journalismus im Internet" betiteln. Andererseits macht "Internet-Manifest" als Titel mehr her. So haben 15 Blogger, Journalisten und Medienberater ein Papier benannt, das sie am 7. September auf verschiedenen Webseiten veröffentlicht haben, erreichbar auch unter der Adresse internet-manifest.de.

Zu den Unterzeichnern des Manifestes gehören der Journalist Stefan Niggemeier, der Blogger Johnny Haeusler, die Bloggerin und Bachmann-Preisträgerin Kathrin Passig, der Handelsblatt-Journalist Thomas Knüwer und die ehemalige Chefin des Nachrichtenportals Tagespiegel.de, Mercedes Bunz.

Tradition ist kein Geschäftsmodell

In den 17 Thesen des "Internet-Manifestes" formulieren die Autoren ihren Anspruch an Journalismus im Internet. Der Text liest sich wie ein Ratgeber für Verleger und Chefredaktionen. Auf klassische Verlagsgeschäfte wie Zeitungen gemünzt, schreiben die Autoren: "Tradition ist kein Geschäftsmodell". Wie Journalismus im Netz finanziert werden könnte, deuten sie kaum an, plädieren aber für hohe Qualität und Transparenz der journalistischen Arbeit: "Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren."

Außerdem sollten Journalisten die Eigenheiten der digitalen Welt besser kennen und für ihre Arbeit nutzen: "Links lohnen, Zitate zieren". Streckenweise bleibt der Text freilich sehr vage. "Das Internet ist anders". "Halleluja!", bemerkt dazu der Blogger Michael Pantelouris auf der Seite print-würgt.de. "Hier drängt sich dann doch die Frage auf: Anders als was?"

Thesenpapier auf dem Niveau einer Abiturzeitung

Überhaupt ist das Echo auf das Papier zwar groß, aber erstaunlich negativ. Tenor der Kritik: Viele Sätze seien gut und richtig, jedoch längst bekannt. "Dieses Manifest bleibt quasi alles schuldig, was es verspricht, und das ist besonderes bitter, weil es fast alle wichtigen ,Web 2.0 - Größen' Deutschlands unterschrieben haben", ärgert sich ein Kommentator. Mehrere Blogger, wie Jürgen Geuter (the-gay-bar.com), haben den Text mittlerweile ironisch-kritisch kommentiert. Sein Fazit: "Wenn man die feuchten Träume der netzaffinen Bevölkerungsminderheit nimmt und den inkompetentesten Texter aller Zeiten zum Überschriftentexter macht, erhält man ein Thesenpapier auf dem Niveau einer Abiturzeitung."

Ein Beispiel, wie gut vernetzter und qualitativ hochwertiger Journalismus nach dem Verständnis der digitalen Vorreiter wohl aussehen könnte, lieferte derweil eine Mitautorin des Manifestes. Mercedes Bunz berichtete in einem Blog der britischen Zeitung Guardian im Duktus der Berichterstatterin über den Text - und lobte ihn in höchsten Tönen: "Die Reaktion (auf das Manifest) war überwältigend". Einzig in einer im dritten Absatz versteckten Klammer wies Bunz knapp auf ihre eigene Mitarbeit an dem Thesenpapier hin.

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