Neue Netflix-Funktion:Bitte vorspulen!

FILE PHOTO: The Netflix logo is pictured on a television remote in this illustration photograph taken in Encinitas, California

Langweilige Filme einfach beschleunigen? Mit einer neuen Funktion sorgt Netflix für Empörung unter Filmemachern.

(Foto: Mike Blake/Reuters)
  • Netflix testet ein neues Feature: damit können Kunden Filme und Serien auf der Seite des Streamingsdienstes in 0,5 bis 1,5-facher Geschwindigkeit anschauen.
  • Der Testlauf löste eine Kritikwelle unter Filmemachern aus - weil sie fürchten, dass ihre Werke nicht mehr nach ihren Vorstellungen rezipiert werden.
  • Wegen wachsender Konkurrenz durch Amazon Prime, Disney+, Apple TV+ und HBO Max steht der Streaminganbieter zunehmend unter Druck.

Von Nora Voit

Der Streamingdienst Netflix testet derzeit eine Funktion, mit der Kunden Filme und Serien langsamer oder schneller anschauen können, genauer gesagt in 0,5 bis 1,5-fachem Tempo. Damit dürfen ausgewählte Testkunden mit Android-Geräten jetzt herausfinden, ob langweilige Filme weniger langweilig sind, wenn man sie anderthalbmal so schnell abspielt - und Thriller spannender, wenn man nach der Hälfte der Zeit weiß, wer der Mörder ist. Das Scorsese-Mafia-Epos "The Irishman", das in wenigen Wochen auf Netflix startet, soll statt in 210 Minuten so in unter drei Stunden zu bewältigen sein. Und alle sechs Staffel House of Cards gibt es mit dem neuen Feature für schmale 55 statt 73 Stunden.

Neu ist die Funktion nicht: Komprimierten Seh- und Hörgenuss bieten YouTube und Podcastdienste seit Jahren an - und Nutzern gefällt das. Unter Filmemachern dagegen regt sich der Widerstand. Nachdem Netflix-User bereits Intro und Abspann von Filmen und Serien überspringen und damit die Namen der Macher in die Bedeutungslosigkeit klicken können, wird der Zeitraffer-Button als zusätzliche Beleigigung gesehen. Werke würden damit endültig nicht mehr so rezipiert werden, wie sich deren Schöpfer das ausgemalt hätten, so der Tenor.

Der Regisseur Peter Ramsey ("Spider-Man") twitterte: "Wollen Kunden jetzt auch 1,5x schneller essen und Sex haben? Muss wirklich alles für die Faulsten und Geschmacklosesten entworfen werden?" Auch der Regisseur von "Die Unglaublichen", Brad Bird, hält den Test für eine ausnehmend schlechte Idee und sieht darin einen "weiteren Schnitt in eine eh schon ausblutende Kinoerfahrung." Und Comedy-Produzent Judd Appatow, der unter anderem die Netflix-Serie Love mitproduzierte, drohte dem Streamingdienst mit Konsequenzen und jammerte: "Nein @Netflix nein. Zwingen Sie mich nicht, jeden Regisseur und Serienschöpfer auf der Erde anzurufen, um gegen sie zu kämpfen. [...] Wir geben dir schöne Dinge. Lassen Sie sie so, wie sie gesehen werden sollten."

Netflix selbst ist nach der Kritikwelle in einem offiziellen Statement zurückgerudert: Derzeit teste man das Feature nur an einigen ausgewählten Nutzern der Netflix-App auf Androidgeräten - dabei werde darauf geachtet, dass sich die Abspielgeschwindigkeit nicht standardmäßig voreinstellen lasse. Unter Umständen wolle man die Zeitraffer-Funktion auch nicht dauerhaft einführen. Zusätzlich betonte die Vizepräsidentin Keela Robison, dass das neue Feature unter anderem dazu diene, Lieblingsszenen unter die (Zeit)-Lupe zu nehmen oder fremdsprachige Titel besser zu verstehen.

So oder so wird die Aufmerksamkeit Netflix in Zeiten von wachsender Konkurrenz durch Amazon Prime, Disney+, Apple TV+ und HBO Max in erster Linie helfen, im Gespräch zu bleiben. Auch beim Zählen von Zuschauerzahlen nutzt das neue Feature: Netflix rechnet einen Film als gesehen, wenn ein Zuschauer mindestens 70 Prozent davon anschaut - und das geht mit der Vorspultaste natürlich schneller.

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