Mediaplayer:Hollywood im Krieg

Steven Spielberg präsentiert die Netflix-Doku "Five Came Back". Sie zeigt, wie sich Hollywood durch den Zweiten Weltkrieg verändert hat.

Von David Steinitz

Ende der Dreißigerjahre ging der Hollywoodregisseur Frank Capra in New York ins Kino und sah sich dort einen Film mit dem Titel "Triumph des Willens" an.

Er war entsetzt über den ideologischen Wahn, den die Aufnahmen vom NSDAP-Parteitag 1934 dokumentierten, die uniformierten Massen, die brüllenden Redner Himmler und Hitler. Aber am meisten schockierte ihn die perfekte Umsetzung der Nazi-Ideologie in eine filmische Form, denn mit den Schwierigkeiten dieser Kunstform kannte er sich bestens aus. Die Regisseurin Leni Riefenstahl hatte seiner Meinung nach ein Meisterstück des Propagandafilms inszeniert. "Wie sollten wir an diese Perfektion in Sachen Gehirnwäsche jemals rankommen?", fragt Capra in einer Archivaufnahme der Dokumentarserie "Five Came Back".

Die dreiteilige Mini-Serie ist eine Produktion des Streamingdienstes Netflix. Sie beruht auf dem Sachbuch "Five Came Back: A Story of Hollywood and the Second World War" von Mark Harris. Der Autor, der auch an der Verfilmung mitgearbeitet hat, erzählt darin, wie sich Hollywood durch den Zweiten Weltkrieg verändert hat, und auch, wie der Zweite Weltkrieg durch Hollywood verändert wurde. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen fünf Starregisseure, die für die US-Armee während des Kriegs Filmaufnahmen zwischen Propaganda und Dokumentation gemacht haben: John Ford, William Wyler, John Huston, George Stevens und Frank Capra.

Mediaplayer: Schlachtfeld statt Filmstudio: Die Dokumentation "Five Came Back".

Schlachtfeld statt Filmstudio: Die Dokumentation "Five Came Back".

(Foto: Netflix)

Der Clou an der Filmversion seines Buchs ist, dass diese Geschichtsstunde von den Starregisseuren der Folgegeneration erzählt wird, unter anderem von Steven Spielberg und Francis Ford Coppola. Sie kommentieren und diskutieren die zahlreichen Filmausschnitte und Archivaufnahmen ihrer Kollegen. Spielberg hat das Projekt mit seiner Firma Amblin Entertainment koproduziert, die Filmgeschichte als Kriegsgeschichte hat ihn seit seinen Anfängen in der Filmindustrie fasziniert.

Hollywood reagierte erst spät auf die Nazis und ihren Krieg in Europa. In der amerikanischen Kinoindustrie herrschte die paradoxe Situation, dass die meisten Filmstudios von jüdischen Immigranten geführt wurden, die durchaus auch um die Juden in Europa bangten; aber sie wollten auch nicht den lukrativen deutschen Markt wegen Anti-Hitler-Stoffen verlieren. Und weil in Hollywood die Studiobosse das Sagen haben, dauerte es bis zum Beginn der Vierzigerjahre, bis das US-Kino den Krieg nicht länger ignorieren konnte. Ford, Capra und Kollegen hatten da schon länger gefordert, dass man die Zuschauer auf das Grauen aufmerksam machen müsse und sie nicht länger durch Komödien und Musicals davon ablenken dürfe.

John Ford marschierte irgendwann persönlich zur Navy und forderte die Gründung einer Filmdivision. Das stieß nicht sofort auf Gegenliebe, weil die harten Jungs beim Militär sich nicht von den Weicheiern aus Kalifornien erklären lassen wollten, wie der Krieg zu gewinnen sei. Aber den Streitkräften wurde schnell klar, dass sie der deutschen Propagandamacht etwas entgegensetzen mussten.

Also zogen die fünf Regisseure in den Krieg, so wie es bereits einige Schauspieler wie James Stewart und Clarke Gable getan hatten, die "keine Stars, sondern Amerikaner" sein wollten.

Die Ausschnitte aus dem Filmmaterial der fünf zeigen eine rasante Entwicklung der Männer von patriotischen Kämpfern zu sprachlosen Zeitzeugen. Zunächst setzten sie Panzerflotten und Flugzeugträger in Szene. Und zwar in prächtigen Farbaufnahmen, die die Zuschauer bislang nur aus Unterhaltungsfilmen und nicht aus Wochenschauen kannten - reine Rekrutenwerbung. Aber im Lauf der folgenden Jahre änderten sich die Aufnahmen, die Regisseure sahen sich vermehrt als Chronisten, filmten Bilder, die sie sich kaum herzuzeigen trauten, zum Beispiel vom D-Day. Besonders erschütternd sind die Aufnahmen von George Stevens aus den Konzentrationslagern kurz nach Kriegsende. "Ich dachte, diese Lager seien Gefängnisse", sagt er im Film. "Aber als wir sie betreten haben, war klar, dass wir keine Propaganda mehr drehen, auch keine Nachrichtenbilder. Wir mussten Beweise sammeln für das, was geschehen war."

Five Came Back ist bei Netflix abrufbar.

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