"NeinQuarterly" durchlebt die Buchmesse:Wir sind anders als wir denken

"NeinQuarterly" durchlebt die Buchmesse: SZ-Kolumnist Nein.Quarterly

SZ-Kolumnist Nein.Quarterly

(Foto: dpa; Collage Jessy Asmus/SZ.de)

Die Frankfurter Buchmesse ist ein Muss für Autoren, Verlage - und für Eric Jarosiński alias "NeinQuarterly". Heute weist er auf eine ewige Randfigur hin, die uns bei der Selbsterkenntnis sehr helfen könnte.

Von Eric Jarosiński

Die Kolumne von NeinQuarterly zur Frankfurter Buchmesse

Vom Literaturprofessor an der University of Pennsylvania zum hauptberuflichen Twitterer: Als @NeinQuarterly veröffentlicht Eric Jarosiński Aphorismen, Wortwitze und manchmal einfach nur Quatsch. Über deutsche Literatur, Philosophie und das generelle Leiden am Intellektuellendasein. Für die SZ schreibt er während der Frankfurter Buchmesse eine tägliche Kolumne über den großen und kleinen Wahnsinn in den Bücherhallen.

Wenn die diesjährige Frankfurter Buchmesse einen guten Geist haben sollte, würde ich gerne einen Sohn der Stadt Frankfurt nominieren: den Autor, Soziologen und Philosophen Siegfried Kracauer (1889 - 1966).

Einer der wichtigsten Theoretiker der Moderne und scharfsinnigsten Beobachter ihrer kulturellen Randerscheinungen (Film, Ladenarchitektur, Freizeitparks) gilt er selbst als ewige Randfigur. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren stand er aber im Zentrum der Entwicklung einer kritischen Theorie der Gesellschaft, die mit den eher berühmteren Namen Theodor W. Adorno und Walter Benjamin verbunden sind.

Ewig wiederkehrende Fragen

Sein kritischer Ansatz, der zurecht immer gerne zitiert wird: "Der Ort, den eine Epoche im Geschichtsprozess einnimmt, ist aus der Analyse ihrer unscheinbaren Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen als aus den Urteilen der Epoche über sich selbst."

Man muss daran denken, wenn man durch die Messehallen geht und die große Anzahl neuer Bücher sieht -- mit Titeln wie "Die neuen Deutschen", "Terror in Deutschland", oder "Ich hasse dieses Internet" - die sich mit den ewig wiederkehrenden Fragen der Zeitdiagnose beschäftigen. Schön also zu erfahren, dass Kracauer selbst nicht dabei in Vergessenheit gerät.

Er spielt zum Beispiel eine Schlüsselrolle in einem der meist besprochenen Bücher der Messe: Christian Krachts Roman "Die Toten". Und auf einer Messeparty war die Rede von einer großen Kracauer-Biographie, die bald erscheint. Richtig rührend sei sie, verriet mir ein hartgesottener Verlagsmensch, der zum ersten Mal bei der Lektüre eines Sachbuch-Manuskripts geweint habe.

Verständlich, da Kracauers Leben in vielen Hinsichten durchaus tragisch war. Erfreulich aber, dass er heute selbst zunehmend aus dem Bereich des eher Unscheinbaren tritt. Antworten hat er für uns natürlich keine. Aber Fragen stellen, das lernt man von ihm schon.

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