Nationalisten wollen Jolies Film verbieten:Serben als Bösewichte

Nationalisten, Verschwörungstheorien und das Regie-Debüt von Angelina Jolie: "In the Land of Blood and Honey" erzählt die tragische Liebesgeschichte einer Muslimin und eines Serben während des Bosnien-Krieges. Einige serbische Abgeordnete werfen ihr nun vor, sie wolle Serben anschwärzen - und setzen sich mit abstrusen Vorwürfen für ein Verbot des Films ein.

Enver Robelli

Die Debatte tobt, die Meinungen sind schon gemacht, die Boulevardblätter haben ihr Thema gefunden. Es geht um Liebe in Zeiten des Krieges, um Hass und um Angelina Jolie. Der Hollywoodstar hat einen Film über den Bosnien-Krieg gedreht. Erzählt wird die tragische Liebesgeschichte einer Muslimin und eines Serben, so viel ist bekannt.

Berlinale 2012 - ´In the Land of Blood and Honey"

Die US-Schauspielerin bei den Dreharbeiten zu "In the Land of Blood and Honey"

(Foto: dpa)

Seit Dezember läuft der Film in den USA, am Samstag wird er auf der Berlinale gezeigt, und am Ende des Monats ist der Kinostart in Deutschland vorgesehen. Auf dem Balkan hat den Film fast niemand gesehen, schon gar nicht die Politiker. Aber das hindert sie nicht daran, ihn in Bausch und Bogen zu verdammen.

Als kürzlich im serbischen Parlament das neue Filmgesetz behandelt wurde, ergriff ein nationalistischer Abgeordneter das Wort. "In the Land of Blood and Honey", so heißt das Regiedebüt von Jolie, sei ein schlechter Film, denn darin würden die Serben als Bösewichte gezeigt, sagte der Hinterbänkler Dusan Maric.

Der eine oder andere Abgeordnete konnte daraufhin das Lachen kaum unterdrücken, was daran liegt, dass unlängst in Serbien ein Sexvideo in Umlauf gebracht wurde, auf dem Maric und seine Sekretärin zu sehen sind.

Aus der Republika Srpska, der von Serben kontrollierten Landeshälfte Bosniens, hieß es, Jolie wolle bald eine Pressekonferenz organisieren und die internationale Gemeinschaft auffordern, die bosnisch-serbische Republik aufzulösen, weil diese nach Massakern an Muslime entstanden sei. Jolie dementierte, bezeichnete die Medienberichte als Lügen und fragte sich, wie es sein könne, dass eine ganze Nation daran glaube.

Die Kampagne gegen den Film unterstützt auch der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik. Er sagte, Jolie sei uninformiert und sie werde instrumentalisiert, aber es werde ihr nicht gelingen, die Serben anzuschwärzen: "Die kann noch so bekannt sein in der Welt, uns interessiert das nicht! Wir sind schon mit Mächtigeren fertig geworden!"

Verschwörungstheorien und Plagiatsvorwürfe

Die Stimmung wird mit wildesten Verschwörungstheorien zusätzlich angeheizt. Nicht nur Krawallblätter behaupten, der Film sei von Saudi-Arabien finanziert worden. Ein bisher unbekannter US-Journalist serbischer Abstammung meinte, die antiserbische Haltung sei Jolie sozusagen in die Wiege gelegt worden, weil ihr Vater die Stepinac High School in New York besucht habe.

Der kroatische Kardinal Alojzije Stepinac hatte im Zweiten Weltkrieg zunächst die faschistische Bewegung der Ustascha unterstützt, später aber ihre Grausamkeiten an Juden, Serben und Roma kritisiert. Die absurdeste Verschwörungstheorie aber besagt, dass Jolie in ihrer Jugend eine Liebesaffäre mit einem Typen aus Belgrad gehabt habe. Dieser habe nach kurzer Zeit Jolie verlassen, und seither hasse sie die Serben.

Die mediale Operation gegen die US-Schauspielerin sei erfolgreich, weil dabei der gesunde Menschenverstand, die Logik und die minimale journalistische Unabhängigkeit auf der Strecke geblieben seien, kommentierte die Belgrader Zeitschrift "Vreme" das Trauerspiel.

Die Chancen, dass "In the Land of Blood and Honey" in der bosnisch-serbischen Teilrepublik gezeigt wird, sind gering. Der Filmvertreiber Vladimir Ljevar sagte gegenüber der Zeitung Blic, das Publikum wolle solchen "Müll" nicht sehen.

Ljevar hatte sich 2006 geweigert, den Berlinale-Sieger-Film "Esmas Geheimnis - Grbavica" ins Programm zu nehmen, der die Vergewaltigung von Frauen im Bosnien-Krieg thematisiert, und die Kinder, die so gezeugt wurden. Nach UNO-Angaben sollen während des Konflikts etwa 20 000 Frauen in Bosnien sexuell missbraucht worden sein. Diese Zahl zweifelte der serbische Rockmusiker Bora Corba öffentlich an: "Um Gottes Willen, wie konnten unsere Soldaten das physisch überhaupt schaffen?"

Inzwischen steht auch noch ein Plagiatsvorwurf im Raum, ein bosnischer Autor hat Jolie verklagt. Vor allem aber wurde Jolie auch von bosnischen Opferverbänden angegriffen - weil das Gerücht kursierte, es entwickle sich im Film eine Liebesgeschichte zwischen einer Muslimin und ihrem serbischen Vergewaltiger.

Das Kulturministerium in Sarajevo entzog der Oscar-Preisträgerin kurzzeitig sogar die Drehgenehmigung, daraufhin drehte Jolie weniger Szenen als vorgesehen in Sarajewo. Mittlerweile hat sie den Film ihren damaligen Kritikerinnen aus den Opferverbänden gezeigt und berichtet von sehr emotionalen, aber nicht feindseligen Reaktionen. Nächste Woche kommt sie wieder nach Sarajevo zur Premiere ihres Films.

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