Nachruf:Zickzack

Renate Rasp, 1969

Renate Rasp, in jungen Jahren.

(Foto: SZ Photo)

Sie erschreckte die Herren von der Gruppe 47, las barbusig auf der Buchmesse und verriß Wim Wenders - zum Tod der Schriftstellerin Renate Rasp.

Von Willi Winkler

Zwei Autorinnen verließen einst die Günter-Grass-Schule für literarische Gegenwartsdiagnostik mit Auszeichnung, das waren Gisela Elsner und Renate Rasp. Gisela Elsner war schon lange vor ihrem Selbstmord 1992 vergessen, und dass Renate Rasp am 21. Juli 80-jährig starb, hat kaum jemand bemerkt. Das Gemütlichkeitsbedürfnis der Nachkriegsdeutschen, gegen das sie einst sprachfixiert und metaphernstark anrannten, hat sie am Ende doch mühelos verdaut.

Renate Rasp war die Tochter des Schauspielers Fritz Rasp, der den Grundeis spielte in der Verfilmung von "Emil und die Detektive" (1931) und den Peachum in der Verfilmung der "Dreigroschenoper" (1931). Vermutlich hat er sich um die Tochter nicht gekümmert, sonst - so denkt jedenfalls der schlichte Hausverstand - hätte die gelernte Gebrauchsgrafikerin nicht ein so abgründiges Buch wie den "Ungeratenen Sohn" (1967) geschrieben, die mehrfach übersetzte Geschichte eines Kindes, das vom Stiefvater zum Baum umerzogen und abgerichtet werden soll, allseitig beschnitten, gut gedüngt und gewässert, bis es Zeit wird, ihn im Garten auszusetzen.

Ihr Prosa-Debüt war die Geschichte eines Kindes, das zum Baum umerzogen wird

Auf der letzten Tagung der Gruppe 47 in der Pulvermühle verhöhnten die SDS-Studenten die Dichter für ihr weltfremdes Schriftstellertum; Grass immerhin merkte, dass die jungen Frauen ihn und die Seinen an die Wand schrieben. Mehr Aufsehen machte natürlich ihr Auftritt 1968 auf der Frankfurter Buchmesse, bloßbrüstig zwischen den Neuerscheinungen für die eigene werbend.

Renate Rasp verfügte über ein schmales, aber ungewöhnlich aggressives Talent. Die grotesk überdehnte Metapher verband sie mit der Autorin der "Riesenzwerge", und es lag nahe, das als Gesellschaftskritik, möglicherweise sogar politisch zu verstehen. Als das Gedicht ein Messer sein musste, eine Waffe, wollte sie sich aber nur lustig machen: Den frischen Wind der Suffragetten, die sie vorschriftsmäßig rühmt, beendet Renate Rasp mit der Frau, die das Fenster schließt. Der Feminismus hatte in Deutschland noch nicht zu Alice Schwarzer gefunden, da gab sie ihn schon auf. 1973 erschien "Chinchilla" eine vorgebliche Gebrauchsanweisung für Prostituierte, zerebral und erstaunlich reizlos.

Renate Rasp verlegte sich auf Lyrik, angestrengte, augustgestrammte Maschinenverse darunter ("Zickzack", 1979), aber dann schrieb sie wieder diese hundertprozentig bösartige, dabei brillante Kritik zu Wenders' Film "Im Lauf der Zeit" für den Spiegel, dessen Herausgeber Rudolf Augstein sie schätzte. Das alles war vor langer Zeit, aber geblieben ist die Erinnerung an diese literarische Domina, wenigstens eine Belle Dame ohne Gnade.

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