Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Reine Stimme

Der Sänger Ric Ocasek ist tot. Er hat mit seiner Formation "The Cars" Künstler wie Iggy Pop abgelöst. Seine Schnulze "Drive" war das Lied einsamer Autofahrerwölfe.

Von Bernd Graff

Schwierige Zeiten sind immer die besten für den Rock'n'Roll. Mögen die Verhältnisse noch so ätzend sein, man kann mit einer hart getakteten, messerscharfen E-Gitarre in sie reinfauchen wie mit einem Schneidbrenner.

Und wenn dazu eine für einen Erwachsenen fast zu helle, ja nahezu glucksende Stimme Ärger, Frust und Irritation über die Zeitenläufe zwar für unausweichlich, aber dann doch auch für überschätzt erklärt, dann sollte man "die guten Zeiten" wieder "anrollen" lassen, dann sollen die "alt gewordenen Geschichten" doch erzählen und "die alten Bilder" zeigen, "was sie wollen". Sie können dir mal "das Rock'n'Roll-Haar bürsten". So lieblich wie Ric Ocasek hat kein Rockstar je wieder "Fuck you!" gesagt.

Ocasek war Gründer, Songwriter und Sänger der Bostoner Band The Cars, die Ende der Siebzigerjahre, in schwierigeren Zeiten also, ebenso die Punk-Nachfolge antrat wie sie die Iggy-Pop- und David-Bowie-Schlachtung anstrebte. Sie landete einige Ohrwurm-Hits, gewiss, aber auch schnurstracks bei den Synthesizer-Orgien der neonfarbenen Achtziger. Die mit dem Föhn, versteht sich. Doch nicht nur Hits wie "Just What I Needed", "My Best Friend's Girl" und das zitierte "Good Times Roll" gelangen Ocasek und seinen vom Musiksender MTV gehätschelten Cars, auch die Hosenträger-Schnulze "Drive" stammt von ihnen, kein einsamer Autofahrerwolf ging damals ohne sie auf die nächtliche Piste. Kopf, Künstler und Signet der Band aber war und blieb Ocasek, der dünne Mann mit der reinen Stimme. Man fand ihn tot in seiner New Yorker Wohnung. Er wurde 75 Jahre alt.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019
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