Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Pott raus, Glück rein

Wolfgang Welt war Pop-Journalist, Schriftsteller, Nachtportier - und in Bochum eine feste Größe. Nun ist er gestorben.

Von Hilmar Klute

Wenn man Wolfgang Welt zu Hause in Bochum besuchte, konnte man staunen, wie er selbst ein bisschen staunte, dass er so wenig zu sagen hatte. Warum er schon so lange nichts mehr geschrieben habe? Wie er es findet, dass sein Stadtteil Langendreer nach Kurzarbeit und Opelwerk-Schließung allmählich zum Failed Stadtteil wird? "Ich weiß dat nich. Setz dich auffe Couch, ich hab Kaffee aufgesetzt."

Er sah einem dann stumm in die Augen, ein müder dicker Mann mit einem runden Kindergesicht. Auf dem Cover seines vorletzten Romans, "Doris hilft", steckt er in seiner feierlich roten Portiersunform. Wolfgang Welt passte nämlich nachts im Schauspielhaus Bochum darauf auf, dass da niemand reinkommt, der nicht rein darf. Im Gegensatz übrigens zu seinen Büchern, die der Suhrkamp Verlag herausbrachte und die ihm so gut wie nichts einbrachten. In diese Romane durften alle rein, mit denen Wolfgang Welt seine Jahre in der alten Hedonisten-Metropole Bochum verbracht hatte. Die Pilstrinker von der Wilhelmshöhe, die Langzeitstudenten von der Ruhruni, die Lebensretter von der Lottoannahmestelle (einmal 5 Richtige) und vom Studentenmagazin Marabo (ließen ihn Artikel schreiben).

Wolfgang Welt hat in seinen Romanen die ganz großen Sehnsüchte aufgerufen: nach den Frauen, nach dem Schriftseller-Ruhm und nach der poetischen Welterfahrung, die man nur in seinem abgegrenzten Bezirk machen kann: Sein Combray war die Gegend zwischen Bahnhof Langendreer und Werner Hellweg: "Ich mußte mich der Wilhelmshöhe versichern, meiner Heimat, meiner Welt." Wolfgang Welt war kein Ruhrgebiets-Schriftsteller, weil ihn das Ruhrgebiet nicht interessierte. Er wollte nichts über die Probleme der Arbeiter erzählen, nichts über die toten Zechen, nichts über den wieder supersauberen Rhein-Herne-Kanal, nichts über die verfilzte SPD. Welt wollte all jene zu Romanfiguren machen, für die sich sonst keine Sau interessierte; und er wollte das Glück beschreiben, das einer empfinden kann, der vom Leben nichts weiter erwartet als dass es ihn in Ruhe trinken und schreiben lässt. Vielleicht ist es diese trotzige Absichtslosigkeit, die Peter Handke an Welts Büchern dermaßen gefallen hat, dass er dem Suhrkamp Verlag empfahl, "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe" herauszubringen.

Angefangen hatte Welt als Popjournalist, besser: als weltbester Heinz-Rudolf-Kunze-Schänder; Welt nannte den Liedermacher den "singenden Erhard Eppler", Kunze drehte ziemlich durch damals. Vor zwei Jahren hat Wolfgang Welt noch einmal einen Roman geschafft, "Fischsuppe" - Welt erzählt, wie er einmal drei Wochen in London war, einer der wenigen großen Ausschläge in seinem Leben. Vielleicht", schrieb Wolfgang Welt, "kann man Ruhe beschreiben. Ruhig war ich allerdings auch nicht." Am Sonntag ist Wolfgang Welt in Bochum gestorben, 63 Jahre alt.

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Quelle:
SZ vom 21.06.2016
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