Nachruf:Pop-Art-Erotomane

Der amerikanische Pop Art Künstler Mel Ramos in seiner Ausstellung im Koblenzer Ludwig Museum Mel R

Mel Ramos hat Motive seiner Bilder auch zu Skulpturen gegossen. Hier steht er vor „Barbiburger“ aus dem Jahr 2009.

(Foto: imago/Thomas Frey)

Er kombinierte den Blondinenwitz mit Konsumartikeln: Der Kalifornier Mel Ramos, der die "Commercial Pin-ups" schuf, ist tot.

Von Bernd Graff

Wenn man an amerikanische Pop-Art denkt, dann fallen einem sofort die Heroen der Ostküste, das Epizentrum New York wie die Coverboys Andy Warhol und Roy Lichtenstein ein. Dabei leistete auch die Westküste einen bedeutenden Beitrag dazu, den menschlichen Akt, das Porträt, den fotorealistisch dargestellten Gegenstand zu rehabilitieren und wieder in eine Malerei zurückzuholen, die bis dahin von den abstrakten Expressionisten der Nachkriegsmoderne dominiert wurde. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber das perspektivisch stimmig, detailgetreu gemalte Fleisch sonnengebräunter Pin-ups galt mal als Avantgarde.

Einer der obsessivsten, über Jahrzehnte schier manisch an seine gewagten und dafür immer auch massiv kritisierten Sujets Gebundenen war der Kalifornier Mel Ramos. Als Schüler von Wayne Thiebaud suchte und fand er seine emblematisch ins Nichts eines neutralen Grundes gestellten Figuren in den Trivia der Konsumentenhölle: den Comics, der Werbung, den Centerfolds jener Hefte, die gerade so noch über der Ladentheke und nicht darunter verkauft werden. Meist kombinierte Ramos sich rekelnde Blondinenwitze mit überproportionierten Konsumartikeln, die für den sofortigen Verzehr, für instante Lustbefriedigung bestimmt sind: Schokoriegel, Cola-Flaschen, Hamburger, Lucky Strike-Zigarettenpackungen und Cohiba-Zigarren. Das Phallische wird bei ihm überbetont, der Mann selber lächerlich gemacht. Denn der taucht nur auf als tumbes Nilpferd, dressierter Orang-Utan oder müdes Zebra.

Nicht nur heute fragt man sich, wie diese "Commercial Pin-ups" des Mel Ramos eine solche Beachtung, aber auch eine solche Bedeutung in den Kunstdiskursen der Sechziger- und Siebzigerjahre finden konnten. Doch stehen Ramos' Bilder im Kontext anderer zeitgenössischer Pop Art-Erotomanen wie Tom Wesselmann oder des Briten Allen Jones, die mit den "Great American Nudes" (Wesselmann) oder den offen frauenverachtenden "Furniture Sculptures" misogyne Positionen zur Kunstgeschichte beisteuerten, die man kaum noch unter Persiflage-Vorbehalt stellen kann. Gegen sie sehen manche Arbeiten des eine Generation später wirkenden Jeff Koons aus wie Darstellungen von harmlosem Kuschelsex.

Ramos, der von 1966 an als Professor für Malerei an der California State University arbeitete, meinte vor Jahren, er habe wirklich oft unter Beschuss gestanden, habe "sehr viel Flak von Feministinnen" einstecken und sich für seine Bilder rechtfertigen müssen. Aber dann "war ich in Europa, im Louvre. Hier waren die großartigen Nackten von Tizian, Veronese und Tintoretto. Ich sehe mich bestätigt. Seitdem fühle ich nicht mehr, dass ich meine Arbeiten verteidigen muss". Mel Ramos ist im Alter von 83 Jahren in Kalifornien an Herzversagen gestorben.

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