Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Neue Welten

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Der Filmarchitekt Ken Adam ist tot. Für Stanley Kubricks "Dr. Seltsam" und für sieben James-Bond-Filme schuf er Räume, in denen die Schauspieler und so auch das Publikum die Zukunft begreifen konnten.

Von Laura Weissmüller

Eigentlich hat Ken Adam immer nur seinen Flow-Master-Stift gebraucht. Einen dicken schwarzen Stift, mit dem er drauflos zeichnete. Mit schnellem Strich und hartem Kontrast zwischen hell und dunkel. Und mit der Ausdauer so lange Kreis, Dreieck und Quadrat aufeinanderzuzimmern, bis sich tatsächlich schwarz auf weiß der Raum auf Papier aufbaute, den er suchte. Den Moment, wenn er ihn gefunden hatte, verglich Adam mit einem Orgasmus.

So entstanden Räume, in die die Filmgeschichte einzog, wie die klaustrophobische Kommandozentrale für Stanley Kubricks "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben". Der Filmdesigner soll die Idee dazu gleich bei seiner ersten Begegnung mit Kubrick auf eine Serviette gezeichnet haben. Doch etwas Skizzenhaftes hat die Atmosphäre in dieser Kommandozentrale nicht. Im Gegenteil: Wer die Schaltzentrale der Macht im Film sieht, meint sofort, die dicke Luft in dem völlig von der Außenwelt abgeschnittenen Raum atmen zu können - und versteht dann, warum die Schauspieler in dieser Satire auf den Atomkrieg nur zu dieser einen fatalen Entscheidung kommen konnten.

Auch darum ging es dem am 5. Februar 1921 in Berlin als Klaus Hugo Adam geborenen Production Designer: den Schauspielern zu helfen, sich in ihre Rolle einfühlen zu können. Bei den Filmen, die der studierte Architekt ausstattete, war das gar nicht so einfach. Ken Adam arbeitete schließlich nicht nur bis zum Nervenzusammenbruch für den manischen Kubrick, sondern er war es auch, der James Bond zu dem gemacht hat, der er heute noch ist: ein Mann auf der Jagd nach den Bösewichten und dem Glamour dieser Welt. Möglichst rasant musste es für den Sportwagen-Liebhaber Adam dabei zugehen, gerne technoid - passend zur Zeit -, immer aber auch mit Humor. Furiose Raumwelten schuf er etwa mit seiner Schurkenzentrale unter Wasser für "Der Spion, der mich liebte" und seiner Raketenabschussrampe in "Moonraker".

"Moonraker" war der letzte von Adams sieben Bond-Filmen. Sein Wunsch, die Zuschauer an Orte zu führen, die sie noch nie gesehen hatten, muss den Studiobossen langsam zu teuer geworden sein. "Bigger than life" hieß Adams Lebensmotto. Er wollte eine Welt erschaffen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat und trotzdem real erschien. Die Filme der Zwanziger Jahre hatten ihn geprägt, die expressive Theatralik in "Das Cabinet des Dr. Caligari". Und das, was danach kam. Ken Adam musste mit seiner Familie 1934 vor den Nationalsozialisten aus Berlin nach London fliehen. Bald flog er für die Royal Air Force - vermutlich als einziger Pilot mit deutschem Pass - eine Hawker Typhoon über Deutschland und Frankreich. "Nach dem Krieg wollte ich mir meine eigene Realität erschaffen", sagte er einmal im Interview.

2012 hat Ken Adam sein umfangreiches Archiv an die Deutsche Kinemathek in Berlin gegeben. Alle seine Räume schlummern nun dort. Der Architekt für neue Wirklichkeiten ist am Donnerstag in London gestorben.

Er wurde 95 Jahre alt.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2016
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