Nachruf:Mit Lebenslust gegen das Auslöschen

Nachruf: Man wird Barbara Bronnens herrliches Lachen nicht nur im Schwabinger "Seerosenkreis“ vermissen, wo sie bis zuletzt Mitglied war.

Man wird Barbara Bronnens herrliches Lachen nicht nur im Schwabinger "Seerosenkreis“ vermissen, wo sie bis zuletzt Mitglied war.

(Foto: imago)

Ein Stück Schwabing ist gestorben: Zum Tod der Münchner Schriftstellerin Barbara Bronnen

Von Eva-Elisabeth Fischer

"Die rote Oma", so nannte sie ihre heiß geliebte Enkelin Tabea. Am leuchtenden Rot ihrer Haartracht, daran hielt Barbara Bronnen ihr ganzes Erwachsenenleben fest. Man sieht sie vor dem geistigen Auge, wie sie voller Lebenslust durch Schwabing radelt, wehendes Kleid, wehendes Feuerhaar. So eine, zudem mit lockenden Körperformen beschenkt, konnte niemand übersehen. Nein, diese Frau mochte man sich zu keiner Zeit als Oma vorstellen. Allenfalls mit fortschreitenden Jahren als im Brechtschen Sinne unwürdige Greisin.

In jungen Jahren glich sie gewiss der Roten Zora, einer, die für ihre Überzeugungen mit Ungestüm zu Felde zieht. Mit jener literarischen Zora hatte die 1938 in Berlin geborene und in Österreich aufgewachsene Barbara nicht nur eine schwierige, in ihrem Fall vom Krieg überschattete Kindheit gemein. Was noch schwerer wog: Beide Eltern, der Schriftsteller Arnolt Bronnen und die Journalistin Hildegard Bronnen-von Lossow, luden ihr ein gewichtiges Erbe auf. Der Vater, ein politischer Wendehals, der die Abkehr vom Nationalsozialismus hin zum Kommunismus mühelos vollzog, verließ Anfang der Fünfzigerjahre die Familie. Die kapriziöse Mutter brachte ihren beiden Töchtern Barbara und der drei Jahre jüngeren Franziska jene Gefühlskälte entgegen, wie sie bei einem Adelsgeschlecht wie dem der Lossows als notwendige Selbstdisziplin weitergegeben wird.

Barbara Bronnen nahm das elterliche Erbe in vielerlei Hinsicht an. Sie begann zu schreiben. Nach ihrem mit dem Dr. phil. abgeschlossenen Germanistikstudium in München wandte sie sich zunächst dem Journalismus zu. Als "Freie" schrieb sie dann erst einmal Sachbücher und machte Rundfunkreportagen für den BR, unvergesslich bis heute die über die übertriebene Tierliebe der Deutschen in den Siebzigern. Ihre unersättliche Neugier war die beste Triebfeder für die Grundlage all ihres Tuns - die gründliche Recherche. Den Menschen begegnete sie ohne Scheu, ließ sie Zuwendung spüren und gewann leicht deren Vertrauen, um ihnen Lebensbeichten und sogar Tagebücher zu entlocken.

In einem Fall aber half das alles wenig. Denn dem wichtigsten Menschen ihres Lebens konnte sie wohl nicht die letzten Geheimnisse entreißen. Erstmals, 1979, reiste sie für den Dokumentarfilm "Auf der Suche nach A.B." dem Vater hinterher, bis nach Ostberlin hinter der Mauer, wo der den real existierenden Sozialismus mitgestaltet hatte und 1959 gestorben war. 1980, da erschien der erste Roman der Vatertochter. "Die Tochter" war der erste literarische Versuch ihrer lebenslangen Anstrengung, diesen Mann zu ergründen, der gegangen war, als sie gerade in der Pubertät steckte. Wie die Gefühle ordnen, eine Beziehung klären, der sich der Vater mit einem derart radikalen Schnitt entzogen hat? Es folgten noch zwei weitere Bücher über ihn, "Das Monokel", geschrieben im Jahr 2000, und "Meine Väter" im Jahr 2012, B.B.s wichtigstes Buch, das sich mit A.B.s jüdischer Herkunft auseinandersetzt, die jener schon vor Hitler vehement auszulöschen suchte.

Den Vater zu ergründen, bedeutete die stete Konfrontation mit Ambivalenzen, denen sie in ihren Büchern wie im Leben die eigene Eindeutigkeit entgegenhielt. Egal, ob sie über den Abschied von ihrem dementen Lebensgefährten schrieb, über das Älterwerden oder den Freitod, es war neben ihren Meriten als Schriftstellerin auch ihre klare Haltung, die ihr etliche Preise einbrachte, zuletzt, 2015, den Schwabinger Kunstpreis. Ihre Haltung schätzten (ebenso wie ihre Treue) die vielen Freunde, die sie gern, am liebsten ebenso extravagant gekleidet wie sie selbst, in ihrer Wohnung in der Zentnerstraße bekochte. Ihre Sinnlichkeit, die sich in farbenfrohen Gerichten niederschlug, lebte sie vor allem in ihrer Schreibwerkstatt in der Toskana mit Blick über die Hügel zum Meer. Nun ist Barbara Bronnen, wie ihr Sohn Florian Bronnen mitteilte, am 10. August in München gestorben. Am 19. August wäre sie 81 Jahre alt geworden.

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