Dafür, dass Ignaz Kirchner mit Unterbrechungen über drei Jahrzehnte dem Wiener Burgtheater angehörte, war er ein geradezu preußisch ungemütlicher, eher kantiger als wohlklangverliebter Schauspieler. Ein Star, aber kein seine Aura vor sich hertragender Großschauspieler, sondern ein wacher, auf die unterschiedlichsten Theatersprachen neugieriger Künstler, der mit so unterschiedlichen Regisseuren wie Claus Peymannund Frank Castorf, Dieter Dorn, Jürgen Gosch und René Pollesch gearbeitet hat. Selbst das Pop-Diskurs-Theater von René Pollesch hat Ignaz Kirchner nach eigenem Bekunden "großen Spaß gemacht".
Man merkte seinen Auftritten die Spielfreude und Intelligenz an, die seine Figuren zuverlässig davor schützte, es sich in Klischees bequem zu machen. Man sah ihm auch gebannt zu, wenn er sehr energisch nichts anderes machte, als grimmig oder grüblerisch oder bekümmert oder sehr zart zu schweigen. Seine wichtigsten Regisseure waren Peter Zadek und George Tabori. In Taboris Komödien war oft Gert Voss Kirchners Partner - ein Schauspielerduo, das sich die Pointen oder Bösartigkeiten zuspielte. Atemberaubend war das in Taboris Wiener "Othello"-Inszenierung mit Kirchner als Jago, einem Genie der Intrige, und Voss als Othello - der eine genießt seinen Hass und die Brillanz der Intrige, der andere sich selbst.
Seim Verhältnis zu Wien war schwierig. Nirgends werden Schauspieler so geliebt, einerseits. Andererseits konnte es ihm vor den Wienern grausen: "Als ich in die Stadt gekommen bin, war gerade die Waldheim-Affäre, und es war hier so braun, dass man's kaum ausgehalten hat. Aber wenn ich jetzt gerade sehe, dass sogar die SPÖ mit den Kellernazis von der FPÖ koaliert, dann wird mir doch wieder anders." Jetzt ist Ignaz Kirchner nach schwerer Krankheit mit 72 Jahren in Wien gestorben.