Nachruf:Eine Epoche in Buchstaben

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Seine Entwürfe prägen unseren Alltag schon seit den Fünfzigerjahren: Zum Tod des Schweizer Schriftgestalters Adrian Frutiger.

Von Erik Spiekermann

Schriftentwerfer kennt man nicht, so wenig, wie man den Müller kennt, der das Mehl für das Brot mahlt, das man täglich ist. Auch Schrift gebrauchen wir täglich, mehr noch als Brot. Adrian Frutigers Schriften kennen wir alle, seinen Namen kennt kaum jemand: Die Schilder am Münchner Flughafen sind aus seiner Schrift Univers gesetzt, die er schon 1957 entwarf, als erste Schrift überhaupt in einem System angelegt von 21 miteinander harmonisierenden Schnitten. Im Ausland wurde die Univers nicht so schnell angenommen wie ihre Halbschwester Helvetica aus dem selben Jahr. Aber spätestens zu den Olympischen Spielen in München 1972 wurde sie schlagartig weltweit bekannt. Otl Aicher hatte mit seinem Team ein Erscheinungsbild entwickelt, in dem die Univers eine zentrale Rolle spielte.

Für den Pariser Flughafen Roissy (heute De Gaulle) hatte Frutiger Anfang der Siebzigerjahre das Leitsystem entwickelt. Dabei beobachtete er, dass seine Univers nicht optimal für solche Zwecke geeignet war. Also zeichnete er eine neue Schrift, die Frutiger. Er schrieb selber dazu: "Mein Meisterstück ist die Univers, aber meine Lieblingsschrift bleibt (. . .) die originale Frutiger. Wahrscheinlich ist es die Schrift, die in der Mitte der Schriftenlandschaft steht. Es ist wie ein Nagel, der eingeschlagen wird, an den man alles anbinden kann. Sie entspricht am ehesten meinem inneren Bild."

Frutigers Methode, mit der Schere aus schwarzem Papier Formen zu schneiden und diese dann zu Buchstaben und Zeichen zusammenzusetzen, ging nach seinem eigenen Bekenntnis auf die Tradition seiner Heimat Interlaken zurück. Sie hat ihm das beste Werkzeug an die Hand gegeben, sein untrügliches Gefühl für Innen- und Außenform, für Rhythmus, Kontrast, Spannung und Regelmäßigkeiten. Er habe, sagte er, anfangs zwischen Architektur und Bildhauerei geschwankt, aber dann herausgefunden, dass Schriftentwerfen beides vereine. Er steht neben Namen wie Garamond, Caslon, Bodoni, Renner, Gill und Zapf als Schriftgestalter, der eine ganze Epoche in Buchstaben ausgedrückt und festgehalten hat.

Am Donnerstag ist Adrian Frutiger im Alter von 87 Jahren in Bremgarten bei Bern gestorben.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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