Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Der Ur-Pop-Star

  • Der Musiker Fats Domino ist tot.
  • Er starb in Alter von 89 Jahren.
  • Domino galt als einer der Urväter des Rock'n'Roll.

Nachruf von Jens-Christian Rabe

Nun ist also auch Fats Domino gestorben. Im Kreis seiner Familie und Freunde in seiner Geburtsstadt New Orleans, wie man bald erfuhr, nachdem die Meldung um die Welt ging. Er wurde 89 Jahre alt. Nach dem Tod Chuck Berrys im März dieses Jahres ist damit ein weiterer der ganz großen Rock 'n' Roll-Pioniere nicht mehr auf dieser Welt. Jetzt sind nur noch Little Richard und Jerry Lee Lewis am Leben. Der 1928 in New Orleans als Antoine Domino geborene Fats Domino war unter den ersten Pop-Superstars so etwas wie der Veteran. Nicht wegen seines Alters, er war zwei Jahre jünger als Chuck Berry und drei jünger als Bill Haley, sondern weil er, als die große Sause Mitte der Fünfzigerjahre anrollte schon mindestens zehn große Hits gehabt hatte. Der erste, "Fat Man", ist aus dem Jahr 1948.

Sein Erfolg war allerdings vor allem eine regionale Angelegenheit, die meisten seiner Platten kaufte die schwarze Bevölkerung in und um New Orleans. Und zu diesem Zeitpunkt nannte auch noch niemand diese Musik "Rock 'n' Roll", sondern "Rhythm and Blues". Und exakt das war es: Rhythmus und Blues. Die einfachen Strukturen des Rhythm-and-Blues stammten aus dem Blues, er schleppte sich aber nicht klagend dahin, sondern wurde untenrum von einem treibenden Boogie-Woogie-Piano so heftig angeschoben, dass er weniger zum Schwelgen als zum Tanzen verführen wollte. Der Ur-Pop.

Anfang der Sechziger waren nur Elvis und die Beatles erfolgreicher

Als die Musik-Revolution schließlich begann, war Domino bestens vorbereitet. Anfang der Sechzigerjahre hatte er schließlich schon über 50 Millionen Platten verkauft. Nur Elvis und die Beatles waren damals noch erfolgreicher als Fats Domino. Und die waren weiß. Wobei ihn die Zahlen größer machen, als er als Star gewesen ist. Chart-Erfolge etwa in Großbritannien gelangen ihm nicht. Außerhalb Amerikas wurde er vor allem von den Eingeweihten bewundert. Sein neben "Blueberry Hill" wahrscheinlich berühmtester Song "Ain't That A Shame" etwa verkaufte sich in der Version Pat Boones besser.

Fans wie der junge Keith Richards, gerade infiziert von der aufregenden Musik aus Amerika, wussten trotzdem, worauf es wirklich ankam. In seiner Autobiografie "Life" bemerkt der Stones-Gitarrist: "Damals hatte ich keine Ahnung, ob die Sänger weiß, schwarz oder grün waren. Aber wenn man ein Ohr dafür hat, registriert man irgendwann den Unterschied. Nicht dass Pat Boones Version schlecht wäre, ganz im Gegenteil - er war ein hervorragender Sänger. Aber im Vergleich mit Fats völlig unverfälschter Fassung war mir das Ganze doch etwas zu seicht und überproduziert."

Die Rock-Explosion in den Sechziger- und Siebzigerjahren erlebte er schließlich - wie die meisten der Pioniere - eher als hochgeschätzter Zaungast, denn als Protagonist. Ein letzter echter Hit gelang ihm 1968 mit einer Cover-Version des Beatles-Songs "Lady Madonna". Viel Zeit verbrachte er bei Auftritten in Las Vegas. Alljährlich und wochenlang. Nicht immer ganz freiwillig, wenn man den Gerüchten glaubt. Bei Glücksspielen in der Stadt soll er über eine Million Dollar verloren habe, die er offenbar nicht bezahlte, sondern mit Konzerten abarbeitete.

Bill Clinton verlieh ihm die National Medal of Arts

Es folgten erfolgreiche Revival-Touren durch die ganze Welt und 1986 schließlich die Aufnahme in die Rock 'n' Roll-Hall of Fame. Später Preise für das Lebenswerk und alle Ehren, die die Welt sich über die Jahre so ausdachte für einen alten Helden wie ihn. Den Grammy erhielt er 1987. Bill Clinton verlieh ihm Ende der Neunzigerjahre die National Medal of Arts. Dabei blieb Domino, dessen Leben ungleich skandalfreier verlief als das der meisten Kollegen, immer der vergnügt entspannte und ungewöhnlich bescheidene Mensch, der er schon in seiner großen Zeit gewesen war:

"Die Leute wissen gar nicht, was sie für mich getan haben. Sie sagen mir immer: ,Oh, Fats, danke für so viele Jahre guter Musik. Aber ich bedanke mich bei ihnen, bevor sie sich bei mir bedanken können'." An den schlimmsten Tag im Leben fats Dominos erinnert heute ein völlig zerstörtes Klavier mitten in New Orleans. Das von Wind und Wasser ruinierte Musikinstrument ist Teil einer Dauerausstellung über den Hurrikan Katrina im Louisiana State Museum.

Das ockergelbe Haus des Rock 'n' Roll-Pioniers im Stadtteil Lower Ninth Ward war während des Hurrikans Katrina, der 2005 weite Teile der Stadt verwüstete, völlig überflutet worden. Domino selbst galt lange damals als vermisst, konnte schließlich aber gerettet werden. Er war nicht geflüchtet, sondern in seinem Haus bei seiner Frau Rose Mary geblieben, mit der er damals seit 56 Jahren verheiratet war und die die Mutter seiner acht Kinder war. Nach Katrina startete der Musiker ein Comeback, vor allem mit Benefizkonzerten und -alben für seine Heimatstadt. In den vergangenen zehn Jahren zog er sich schließlich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2017/jael
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