Völlige Sprachlosigkeit herrschte nach den Schrecken von Krieg und Vertreibung mehr als ein Jahrzehnt lang zwischen der deutschen und der polnischen Gesellschaft. Die Polen sahen vor allem die unermessliche Schuld der Deutschen, diese wollten auf gar keinen Fall daran erinnert werden. Einer der ersten, der in der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre dieses drückende Schweigen durchbrach, war Karl Dedecius. Er übersetzte polnische Literatur ins Deutsche, brachte deutsche mit polnischen Schriftstellern zusammen und stellte so die Weichen für einen kulturellen Austausch, der über die Tagespolitik erhaben war, dem man das moderne Etikett "nachhaltig" anheften kann.
Nachruf:Der Übersetzer Karl Dedecius ist tot
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Als nach 1945 die Polen von den Deutschen nicht mehr wissen und diese nicht an ihre Untaten erinnert werden wollten, brachte Karl Dedecius den Dialog wieder in Gang. Jetzt starb er hochbetagt in Frankfurt.
Von Thomas Urban