Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Der Rechtsgelehrte Peter Landau ist tot

Als Student organisierte er 1962 die größe Anti-Strauß-Demo der Bundesrepublik, als Wissenschaftler wurde er zu einer weltweit honorierten Koryphäe: zum Tod des Kanonisten Peter Landau.

Von Heribert Prantl

Er war ein großer Gelehrter, aber einer, der nie groß tat. Der große Auftritt war nicht seine Sache, die theatralische Vorlesung auch nicht. Er war der Meister des Seminars. Dort packte er seine atemberaubende Gelehrsamkeit aus, dort wucherte er mit seinem enzyklopädischen Wissen. Er beherrschte zwei Jahrtausende Kirchenrecht mit allen Finessen und Fußnoten; er konnte von Gratian, dem großartigen Mönch, der im 12. Jahrhundert den Rechtsstoff seiner Zeit geordnet hat, so erzählen wie andere von ihrem Großvater. Peter Landau war ein leidenschaftlicher Wissenschaftler, Rechtshistoriker, Rechtsphilosoph und historischer Kanonist.

Man kann heute Jurist werden, ohne dass man weiß, was ein "Kanonist" ist; es dürfte Leute mit zweitem juristischem Staatsexamen geben, die einen Kanonisten für einen Soldaten der Artillerie halten. "Canones" sind die Normen des Kirchenrechts, die Jahrhunderte lang auch prägend für das weltliche Recht waren. Peter Landau, 1935 in Berlin geboren, war weltweit einer ihrer besten Kenner; er war eine Koryphäe, dem zuletzt die Ehrendoktorwürden und die Berufungen in die hochrangigsten wissenschaftlichen Gesellschaften im Monatstakt ins Haus kamen.

Er war ein Schüler des deutsch-amerikanischen Kirchenrechtlers Stephan Kuttner in Yale und Berkeley; Kuttner war vor den Nazis in Deutschland und dann vor den Faschisten in Italien (er wirkte an der Lateranuniversität) in die USA geflohen. Das "Kuttner Institute of Medieval Canon Law" konnte Landau Anfang der neunziger Jahre von Yale und Berkeley nach München an die LMU holen. Damals war Landau von der Universität in Regensburg (1968 bis 1987), deren Werden er begleitet hatte, einem Ruf nach München gefolgt (nachdem er zahlreiche andere Rufe abgelehnt hatte).

Beim Rechtshistorikertag 2004 wartete er mit einem Scoop zum "Sachsenspiegel" auf

Landau war ein manchmal etwas linkisch wirkender, fast scheuer Mann - zugleich war er den Studenten und ihren Anliegen herzensgut zugetan. Als Dekan der juristischen Fakultät in Regensburg ließ er seine konservativen Kollegen wissen, dass sie sich über "Störungen" der Vorlesungen nicht so empören sollten. Eine Universität sei kein "Drillkurs" und man solle "vor studentischer Unruhe nicht resignieren, sondern sie insofern begrüßen, als aus dieser die für Wissenschaft unerlässliche Radikalität der Fragestellung hervorgehen kann". Ein Blick auf die Geschichte der europäischen Universitäten zeige, "dass studentische Unruhe vor allem in Blütezeiten der Universitäten zu registrieren war". Landau war, seit Studententagen, Sozialdemokrat; 1962, in der Spiegel-Affäre, organisierte er in Bonn die größte Studentendemo gegen Strauß in der Bundesrepublik.

Ein wissenschaftlicher Scoop gelang Landau, als er 2004 in einem Vortrag auf dem Rechtshistorikertag in Bonn nachwies, wo Eike von Repgow den berühmten "Sachsenspiegel", das älteste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters, geschrieben hat: in der Zisterzienserabtei Altzella. Zuletzt versuchte Landau, im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche zu sagen, was sie zu tun hat: Er wollte, dass ins Kirchenrecht der Satz geschrieben wird, dass mit der Tat die Exkommunikation des Täters eintritt. Ende Mai ist Landau im Alter von 84 Jahren in München gestorben. Am heutigen Freitag findet in der Münchner Universitätskirche St. Markus die Trauerfeier statt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4501702
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.