Nachruf:David Bowie - der Mann, der in den Himmel fiel

Selbst ein Herzinfarkt konnte David Bowie nicht daran hindern, einen Song zu Ende zu singen. Nun ist der Ausnahmekünstler einem Krebsleiden erlegen. Unfassbar.

Nachruf von Jan Kedves

Es ist nicht zu fassen. Erst in der vergangenen Woche überschlugen sich die Musikkritiker mit Lobeshymnen auf das neue David-Bowie-Werk "Blackstar". Kurz zuvor hatte in den sozialen Netzwerken das Youtube-Video die Runde gemacht, in dem der damals 17-jährige David Robert Jones (später Bowie) als Sprecher der Gruppe "Society for the Prevention of Cruelty to Long-Haired Men" (Verein zur Verhinderung von Gewalt gegenüber langhaarigen Männern) in der BBC auftritt und selbstbewusst-keck für einen neuen Typus von Männlichkeit wirbt.

Nach dem Anklicken des Videos dachte man zwar nicht unbedingt, dass sich hier, 1964, schon Bowies gesamte Wirkungsmacht andeutete, dass hier schon seine Pop-Karriere in all ihren Schattierungen, Stilwechseln, mit all den Hits abzulesen war. Aber man dachte: Dieser Junge hatte von Anfang an Stilbewusstsein, Eloquenz, ein treffendes Gespür für sein mediales Abbild, und vor allem: kein bisschen Angst. Sein Talent als Musiker und Sänger zeigte sich drei Jahre später, mit dem Debütalbum "David Bowie".

Nun die traurige Gewissheit: David Bowie ist tot. Gestorben gestern, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag, an einem vor anderthalb Jahren diagnostizierten Krebsleiden. "Blackstar" ist also sein Abschiedsalbum, das - man traute es sich vergangene Woche kaum zu schreiben - ein bisschen wie eine düstere Zusammenfassung seiner Lebensthemen wirkt. Der neue Song "Girl Loves Me" spielt auf "China Girl" an, enthält Versatzstücke von Polari, einem schwulen Londoner Soziolekt, mit dem Bowie als subkulturell Interessierter vertraut war. Das Außerirdische, das in seinem Werk von der Figur Ziggy Stardust über "Space Oddity", "Life on Mars?" bis "Hello Spaceboy" immer wieder eine zentrale Rolle spielte, es wird auf "Blackstar" zum schwarzen Stern mit unheimlicher Anziehungskraft.

Konventionell und doch fast nie anbiedernd

Man wird heute auf der ganzen Welt dieses neue Album hören, und natürlich "Heroes", "Young Americans", "Dancing in the Street" (mit Mick Jagger), "The Jean Genie", "Ch-ch-ch-changes" - all die großen, unvergesslichen Hits Bowies, die in den meisten Fällen musikalisch gerade konventionell genug waren, um ein großes Publikum zu finden, sich aber doch fast nie anbiederten. Man wird sich an seinen Auftritt mit Iggy Pop auf dem Roten Platz in Moskau Ende der Siebziger erinnern. Vor der Wohnung in der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg, wo er von 1976 bis 1978 lebte, den Drogen abschwor und an seinen epochalen Alben "Low" und "Heroes" arbeitete, werden die Kerzen brennen.

Androgynie wie nie

Man wird sich daran erinnern, wie beim Hurricane-Festival 2004 in Scheeßel auf der Bühne ein Ruck durch ihn ging, er seinen Song aber noch mit unglaublicher Willenskraft und Eleganz zu Ende sang und erst dann von der Bühne ging: Herzinfarkt.

Man wird sich daran erinnern, dass kaum einem anderen männlichen Popstar die Inszenierung von Androgynie so stand wie ihm, so dass er zur Ikone wurde für Männer, die keine Lust mehr darauf hatten, harte Kerle zu sein - egal, wie man das nun nennen mochte, schwul, bi, open-minded, bisschen anders, oder eben: eigen. Und man wird sich an seine Filmrollen erinnern: 1979 spielte er in "Schöner Gigolo, armer Gigolo" mit Marlene Dietrich - in deren letztem Film. 1976 schon war er "Der Mann, der vom Himmel fiel". Ist er jetzt zurück in den Himmel gefallen?

Seine "Angie" war wohl jene "Angie" der Rolling Stones

Bowie, so gehört es sich aufzuschreiben, hinterlässt seinen Sohn, den Regisseur Duncan Jones, der aus der Ehe mit Angela Barnett stammt. Sie ist jene "Angie", die, so wurde zumindest gemutmaßt, 1973 den gleichnamigen Rolling-Stones-Song inspirierte, gerade packt sie in der englischen Version des Trash-Formats "Celebrity Big Brother" mal wieder alte Geschichten aus.

Weiterhin hinterlässt Bowie seine zweite Ehefrau, die aus Somalia stammende Iman Abdulmajid, eines der ersten dunkelhäutigen Topmodels und bis heute eine der schönsten Frauen der Welt. Er war mit ihr seit 1992 verheiratet, nach allem was man mitbekam: glücklich. Und er hinterlässt seine 15-jährige Tochter Alexandria, die er mit Iman hat - nein: hatte.

Dass man das jetzt so schreiben muss, es ist unfassbar.

Lesen Sie dazu auch den Nachruf "Ground Control" - mit SZ Plus:

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