Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Danielle Darrieux ist gestorben

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Etwa achtzig ihrer hundert Lebensjahre stand Danielle Darrieux vor der Kamera oder auf der Bühne - eine Große des französischen Kinos.

Von Fritz Göttler

Einen ihrer schönsten Kinomomente hat Danielle Darrieux in "Les demoiselles de Rochefort", 1967, dem traumhaften Gesangs- und Tanzfilm von Jacques Demy. Sie ist Yvonne, die ein kleines Bistro unterhält mitten in der Stadt, ihre Töchter sind Catherine Deneuve und Françoise Dorleac. Einmal hatte Yvonne eine große Liebe zu einem Mann, Michel Piccoli, aber heiraten wollte sie ihn dann doch nicht, denn er hieß Dame. Und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie dann als Madame Dame gegrüßt würde.

Frauen, die ihrem Glück selbst im Wege stehen, das waren ihre Rollen. Dazu passte ihre sanfte Traurigkeit perfekt, ihre Verträumtheit, die immer wieder zu einer Art Abwesenheit geriet. Frauen, die sich nicht trauen, die irgendwann aufhören zu kämpfen oder zu heftig kämpfen für ihr Glück - sie war Maria Vetsera, die Geliebte des österreichischen Kronprinzen Rudolf, seien Partnerin bis in den Tod, in "Mayerling", 1936, mit Charles Boyer, einem ihrer größten Erfolge.

Durch ein Übermaß an Intrigen zerstörte sie ihre Liebe als "Madame de ...", der dritte Film, den sie mit Max Ophüls drehte, wieder mit Charles Boyer als Partner. Eine Frau, die von ihrer Leichtfertigkeit nicht lassen kann und der das Lügen zur Lebensform wird, die immer neue Geschichten erfindet, um die alten Fehler zu kaschieren.

Mit vierzehn fing Darrieux, geboren am 1. Mai 1917 in Bordeaux, mit dem Kino an, in "Le bal" von Wilhelm Thiele, ein singender und im Tanz wirbelnder Teenager. "Singen und tanzen wird ihre Art des Spiels vor der Kamera", schrieb Martina Müller in ihrem kleinen Darrieux-Porträt. Auch bei Demy singt sie selber, in den "Demoiselles" und dann auch in "Une chambre en ville. Sie ist es, die das besagte Zimmer in der Stadt vermietet, Witwe eines Colonel, an einen jungen Arbeiter, zu dem sie ins Zimmer kommt und eine Zigarette schnorrt. Und in den ihre Tochter sich verliebt, tragisch.

Mehr als hundert Filme hat Danielle Darrieux gemacht, mit fast allen großen Regisseuren des französischen Kinos, von Anatole Litvak über Henri Decoin bis Claude Autant-Lara, für den sie die Madame de Rénal in der Stendhal-Verfilmung "Rot und Schwarz" gab. Aber auch die folgenden Generationen der Filmemacher wollten sie haben, Jacques Demy und André Téchiné und François Ozon für "8 Frauen" - dort ist Darrieux die durchtriebene Großmutter. Bis ins Alter hinein bewahrte sie ihre Mischung aus Eleganz und Sinnlichkeit, ihre kühle, ziselierte, manchmal statuarische Schönheit, die an die Antike erinnern mochte - in einer amerikanischen Produktion hat sie die Mutter von Alexander dem Großen gespielt. Max Ophüls schrieb in seiner Autobiografie, wie er Rollen für sie fand: "Um die Darrieux herum liegen Leichtsinn und Glaube, Frivolität und Ernsthaftigkeit, Grazie und Grausamkeit, Lebensfreude und Tod."

Hundert Jahre alt wurde Danielle Darrieux, ungefähr achtzig Jahre davon stand sie vor der Kamera oder auf der Bühne. Am Dienstag starb sie in Bois-le-Roi.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2017
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