Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Karl Schlamminger:Markante Zeichen

Lesezeit: 1 min

Der deutsche Bildhauer, dessen Werk man am Münchener Flughafen gleich zweimal begegnen kann, ist gestorben. Entscheidende Eindrücke dürfte er empfangen haben, als er in Istanbul und in Teheran gelehrt hat.

Von Gottfried Knapp

Am Münchner Flughafen kann man dem Werk von Karl Schlamminger gleich zweimal begegnen. Im Shoppingbereich des Terminal 1 sitzt mitten zwischen den Cafeteria-Tischen lebensgroß der Märchenkönig Ludwig II. auf einem Stuhl. Er hält das Modell eines Doppeldeckers in der Hand, also eines Flugzeugs, das ihn, der sich Fluggeräte erträumt hat, wohl begeistert hätte.

Das zweite Kunstwerk am Flughafen ist am besten aus der Luft zu betrachten. Wer beim Starten oder Landen auf der richtigen Seite sitzt, kann das zwischen Autobahn und Flughafenareal in das Gelände gefurchte Erdzeichen entdecken, das sich in organisch-geometrischen Parallellinien ergeht und je nach Lichteinfall kräftig plastisch wird.

Beide Schöpfungen sind nicht unbedingt typisch für Schlamminger. Den vergoldeten Ludwig hat er mit dem Bildhauer Kay Winkler zusammen geschaffen; und das Erdzeichen ist nach Ideen des Malers und Bildhauers Wilhelm Holderied entstanden. Um Schlammingers Werk zu charakterisieren, begibt man sich darum am besten weit weg von München, wo er studiert und später auch wieder gelebt hat. Die entscheidenden künstlerischen Eindrücke dürfte Schlamminger empfangen haben, als er von 1964 an in Istanbul und dann zwölf Jahre lang in Teheran an Kunstschulen gelehrt hat. Die islamische Kultur mit ihren aus der Geometrie entwickelten Dekorformen und dem Schwung ihrer Kalligrafien hat ihm das Formenmaterial geliefert, das er als Grafiker auf vielfältige Weise abstrahierend weiterentwickelte, mal zu griffigen Logos verkleinerte, mal zu wandfüllenden Bildwerken aufblies und schließlich als Bildhauer zu stelenartigen Skulpturen verdichtete oder aber so aufrichtete, dass die stehenden Zeichen ein Gehäuse bildeten.

Besonders eindrucksvoll sind die kuppelartigen Bauten oder die himmelstrebenden Skulpturen, die er ausschließlich aus geometrischen Grundformen wie dem Kreis oder dem Quadrat entwickelte, indem er Scheibchen dieser Formen verschoben übereinandersetzte, also nach oben kreisen ließ, oder die Stangen seitlich aufschnitt und die getrennten Teile ineinanderflocht. Wenn er aber, wie in Berlin, einen Obelisk aufstellte, ließ er ihn in der Luft leicht pendeln. Großskulpturen von ihm stehen auch in Athen, Istanbul - und im Garten der Sammlung Goetz in München.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3791933
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.12.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.