Vor etlichen Jahren, kurz nachdem Imre Kertész 2002 den Literaturnobelpreis erhalten hatte, fand im Berliner Abgeordnetenhaus eine Veranstaltung für das allgemeine Publikum statt. Unter den Rednern befand sich auch Kertész. Er blieb nicht lange. Bei der Dame, die neben ihm saß, entschuldigte er sich: Sein Rücken schmerze, das Sitzen mache ihm Beschwerden. Die Dame lächelte; dann solle er doch besser gehen, sagte sie, das dürfe er: Auch ein Nobelpreisträger sei nicht verpflichtet, in der Öffentlichkeit zu leiden. Kertész entgegnete: "Ach, darf ich das? Wenn ich Rückenschmerzen habe, darf ich nach Hause gehen?" Wer den kleinen Wortwechsel mithörte, wusste nicht genau, ob Kertész tatsächlich erleichtert war, oder ob seine Worte von tiefem Sarkasmus zeugten.
Nachruf:Alles Schöne
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Der Nobelpreisträger Imre Kertész ist gestorben - ein großer Schriftsteller, ein liebenswürdiger Mann. Er überlebte Auschwitz und schrieb darüber, aber niemals nur als Überlebender.
Von Franziska Augstein