Nachrichten aus dem Netz (49):Trennung per YouTube

Mit ihrem sechsminütigem Filmchen hat Tricia Walsh Smith auf YouTube ein neues Genre eingeführt: das Scheidungsvideo.

Alex Rühle

Eine Frau jenseits des Nervenzusammenbruchs? Oder hat sie gar keine Nerven? Jedenfalls hat die Frau mit ihrem sechsminütigen Solo auf YouTube ein neues Genre eingeführt: Das Scheidungsvideo.

Nachrichten aus dem Netz (49): Auf YouTube gibt es dank der bislang eher unbekannten Schauspielerin Tricia Walsh Smith nun ein neues Genre: das Scheidungsvideo.

Auf YouTube gibt es dank der bislang eher unbekannten Schauspielerin Tricia Walsh Smith nun ein neues Genre: das Scheidungsvideo.

(Foto: Foto: dpa)

Tricia Walsh Smith, bisher eher unbekannte Broadway-Schauspielerin, die sich selbst als "arme verletzliche Tricia" einführt, erzählt der Welt auf YouTube, dass ihr Mann, ein Broadway-Impresario, der 25 Jahre älter ist als sie, sie aus dem gemeinsamen Luxusapartment in New York schmeißen will. Sechseinhalb Minuten redet sie sich ihren Hass von der Seele, eine Tour de Force in Sachen Niedertracht, Indiskretion, gemeinem Klatsch.

Ob es darum geht, die sexuellen Hilfsmittel ihres Mannes zu beschreiben, die finanzielle Situation der beiden auszubreiten oder Verwandte zu beschimpfen ("das hier ist seine Tochter", sagt sie über ein Hochzeitsfoto, "sie ist die Böse"), - Walsh Smith lässt nichts aus.

Gegen diese Furie sind die "Desperate Housewives" gelangweilte Betschwestern. Sie filmt sich sogar dabei, wie sie seine Sekretärin anruft und ihr erzählt, dass ihr Mann nie mit ihr Sex hatte, aber Viagra nehme und Pornovideos konsumiere.

Juristen finden Video "unheimlich"

Mehrere Juristen äußerten sich besorgt über das Video. Der Anwalt Bonnie Rabin sagte, dieses Video sei "ein neuer Schritt", das Video sei "unheimlich". Früher hätten die Leute Angst davor gehabt, in den Klatschspalten der Boulevardzeitungen aufzutauchen.

"Aber das hier hebt den Begriff der Demütigung auf ein ganz neues Level." Walsh Smiths Anwalt Raoul Felder sagt zu diesen Anwürfen nur, so etwas wie Privatleben gebe es in Zeiten von YouTube eben nicht mehr.

Schon ein kurzer Streifzug durchs Netz gibt ihm recht: Laurie, eine geschiedene Mutter aus Manhattan, plaudert in ihrem Podcast "DivorcingDaze" seit zwei Jahren mit einer ebenfalls geschiedenen Freundin über die Lügen der Ehe, ihre Scheidung, ihren Mann. Als dieser davon Wind bekam, verklagte er sie.

Der Supreme Court von New York sagte, der Podcast sei zwar "unklug" werde aber durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Nachdem sich der Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales vor ein paar Wochen mittels eines Wikipediaeintrags von seiner Freundin getrennt hatte, verkaufte diese auf Ebay einige private Sachen, die er bei ihr zurückgelassen hatte und sparte dabei nicht mit boshaften Details über Wales' Intimleben.

Und als sich der Komponist Michael Nyman von der Schauspielerin Jane Slavin trennte, schrieb diese ihm unter falschem Namen bewundernde Mails und verwickelte ihn in eine heftige Onlinebeziehung, um dann in einem Blog die ganze Geschichte nebst intimsten Details auszubreiten. Auf YouTube gibt es zuhauf Aufnahmen betrogener Ehefrauen auf Anrufbeantwortern und viele Leute stellen gar Privatpornos mit ihrer Ex ins Netz.

Mehr als drei Millionen Nutzer sehen Video

Mehr als drei Millionen Menschen haben sich Tricia Walsh Smiths den Film innerhalb weniger Tage angesehen. Die Internetsoziologin Alexandra Juhasz sagt, der enorme Erfolg des Films rühre aus einem merkwürdigen Bruch: Die meisten YouTube-Videos würden von einfachen oder sozial benachteiligten Menschen erstellt.

Walsh Smiths Video sei deshalb so abstoßend du faszinierend, weil sich darin "das Sprechen einer einfachen Person mit den unglaublich privilegierten Umständen, in denen gesprochen wird, brechen. Sie ist eine mächtige Frau, die das Internet benutzt wie ein entrechteter Mensch." Wenn es stimmt, was Walsh Smith unter Tränen sagt, bekommt sie nach der Scheidung nur ein Haus in Florida und 500.000 Dollar.

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