Nachrichten aus dem Netz (51):Stalin.su

Das Internet als Wiederbelebungsmaschine: Zwar existiert die Sowjetunion als Staat nicht mehr - Websites mit dem Länderkürzel .su gibt es trotzdem zuhauf.

Ingo Petz

Das Internet ist eine potente Wiederbelebungsmaschine für Dinge, die in unserer analogen Welt bereits das Zeitliche gesegnet haben. Wie die Sowjetunion beispielsweise. Der kommunistische Staatenbund wurde 1991 aufgelöst. Im Jahr 2008 kann sie allerdings immer noch jeder Internet-Surfer besuchen, der eine Seite mit dem Ländercode .su ansteuert.

Nachrichten aus dem Netz (51): 45.000 .su-Seiten soll es im Netz geben, darunter zum Beispiel die Website Stalin.su

45.000 .su-Seiten soll es im Netz geben, darunter zum Beispiel die Website Stalin.su

(Foto: Foto: AP)

So findet man etwa die extremistische Putin-Jugend "Nashi" (Die Unsrigen) unter dem su-Kürzel oder auch sinnige Seiten wie KGB.su, Kremlin.su oder Stalin.su. Wie man in einem Artikel von AP nachlesen konnte, hatte sich ein gewisser Jan Balajan diese Adressen gesichert und bietet sie nun für jeweils rund 19.000 Euro zum Verkauf an.

"Sie verkaufen Tickets für ein untergehendes Schiff", sagte der Web-Journalist Anton Nosik, "das ist etwas für Loser und Zuspätkommer." Während manche Adress-Endungen nur für staatliche, militärische oder kirchliche Einrichtungen genutzt werden können, kann sich das .su-Kürzel jeder zur virtuellen Heimat machen. Unter Ford.su findet sich ein Moskauer Autohaus, das vor allem Ford-Modelle anbietet. Hinter Lenin.ru verbirgt sich eine Internet-Marketing-Agentur.

Die Behörde, die über diese Codes wacht, ist die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) und ihre Vorgänger-Organisationen. Wenn ein Staat von der Landkarte verschwindet, verschwindet mit ihm auch seine Netz-Adresse.

Das Kürzel .dd für die DDR war nur kurzzeitig im Gebrauch, die Endung .yu für Jugoslawien existiert immer noch, läuft aber 2009 aus. Andere Endungen wie etwa für Nordkorea (.kp) oder Somalia (.so) existieren zwar auf dem Papier, werden aber aufgrund von technischen und infrastrukturellen Mängeln in den Ländern gar nicht oder kaum genutzt.

Bei der Abschaffung der Sowjet-Adresse gab es heftigen Widerstand von den Besitzern der registrierten Seiten. Sie warfen dem ICANN-Vorgänger mit Sitz in den USA vor, die Erinnerung an den Feind im Kalten Krieg eliminieren zu wollen. So wurde die Adresse weiterhin geduldet, ohne dass man neue Seiten registrieren lassen konnte.

Geführt wird der .su-Code unter der Kategorie "phased out" - auslaufend. Bis Ende 2000 soll es nur rund 1800 Seiten mit Sitz in der virtuellen Sowjetunion gegeben haben. Dann aber setzte sich die russische "Stiftung für die Entwicklung des Internets" für die Wiederbelebung der .su-Seiten ein. Als die Kosten für die Registrierung auf rund 25 Dollar gesenkt wurden, ging die Zahl der Seiten schnell nach oben.

Heute gibt es im Netz rund 45.000 .su-Seiten, 15 Prozent davon sollen seit Januar dieses Jahres dazu gekommen sein - durchaus beachtlich, wenn man bedenkt, dass es über 73 Millionen .com-Seiten und über zwölf Millionen .de-Seiten gibt.

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