Nachrichten aus dem Netz (76):Trauriger-Blog.com

Auch in der Kunstwelt ist der Wind rauer geworden. Und ein mächtiger Galerist gibt den ökonomischen Druck nach unten weiter. Gute Kunst-Blogs dokumentieren auch das.

H. Liebs

Keine Frage, auch in der Kunstwelt bläst nun ein rauerer Wind. Ob man den ökonomischen Druck gleich so unvermindert nach unten weitergeben muss wie Larry Gagosian, ist dann aber doch sehr die Frage. Von Flash Art Online über More Intelligent Life, die Online-Ausgabe des gleichnamigen Economist-Magazins, gelangte der Wortlaut eines Memos des mächtigsten Galeristen der Welt zum Manhattaner News-Radar Gawker und macht nun die Runde in den Kunstblogs, zum Beispiel bei Search & Destroy (www.sad-blog.com): "Wenn Sie weiter für Gagosian arbeiten wollen", heißt es in dem Memo, "dann schlage ich vor, Sie fangen damit an, Kunst zu verkaufen" - als ob das die gemeinhin Gallerinas genannten Mitarbeiterinnen, von denen Gagosian Dutzende beschäftigt, nicht ohnehin den ganzen Tag versuchen würden. "Der Luxus", so schließt Gagosian, "Beschäftigte mit niedriger Performance mitzuschleppen, gehört nun der Vergangenheit an". Bei Search & Destroy findet sich auch ein Porträt des jungen Gagosian von Horst P. Horst, wie Andy Warhols "Elvis" die Pistole zückend, wobei ihm der Zeigefinger dafür reicht. Die Gallerinas werden sich trotzdem fürchten.

Nachrichten aus dem Netz (76): Andy Warhol, hier im Selbstporträt, einen Hamburger essen: auf  Mahret Kupkas Kunstblog möglich.

Andy Warhol, hier im Selbstporträt, einen Hamburger essen: auf Mahret Kupkas Kunstblog möglich.

(Foto: Foto: AFP)

Oft sind Kunstblogs, zumal in Deutschland, recht erwartbar bilderreich sowie textarm, zum Beispiel beim modelastigen Bored & Beautiful. Sehr reiz- und gehaltvoll nimmt sich das aber bei f&art aus, betrieben in Berlin von der Heidelberger Journalistin Mahret Kupka, die Mode und Kunst nicht als getrennte Sphären, sondern als ästhetisches Kontinuum begreift und bei der man sowohl Andy Warhol einen Hamburger essen sehen wie auch Faltkleider aus Telefonbüchern bewundern darf.

Aus der schier unüberschaubaren Zahl von Kunstblogs gerade in den USA ragen dennoch wenige heraus, die eine Art gesellschaftliche Wächterfunktion erfüllen und wo nicht zuletzt Journalisten ihren Kollegen auf die Finger schauen. Bemerkenswert ist besonders die Trias CultureGrrl, Modern Art Notes und Artopia auf artsjournal.com, betrieben von Lee Rosenbaum, Tyler Green und John Perreault, alles verdiente Journalismus-Veteranen, die sich als ehrenamtliche fact checker etwa der New York Times verdient machen, die De-Accessioning-Strategien, also Verkaufspläne der Museen geißeln - wie derzeit am klammen MOCA in Los Angeles diskutiert - oder einfach kluge Gedanken in die Welt hinaushauen.

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