Süddeutsche Zeitung

Schauspieler Gert Voss gestorben:Ewiger König

Das deutsche Theater verliert einen seiner größten Schauspieler: Gert Voss ist im Alter von 72 Jahren in Wien gestorben.

Der Schauspieler Gert Voss ist tot. Der gebürtige Deutsche, der knapp drei Jahrzehnte am Wiener Burgtheater wirkte, starb nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 72 Jahren, wie das Theater am Montag mitteilte.

In Wien erlebte der herausragende Schauspieler seine Sternstunden und debütierte als "Richard III" 1986 an der Burg. "In den folgenden Jahrzehnten trug Gert Voss diese Krone immer wieder, egal ob er Könige oder Bettler, Shakespeare oder Beckett, Bernhard oder Handke, Tschechow oder Tabori spielte", würdigte ihn die interimistische Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann in einem ersten Statement.

Gert Voss wurde 1941 in Schanghai geboren. Voss' Vater arbeitete als Außenhandelskaufmann. 1947 kehrte die Familie nach Deutschland zurück.

Die Schule besuchte Voss in Hamburg, Köln, Heidenheim an der Brenz und Friedrichshafen am Bodensee. Nach dem Abitur begann er zunächst in Tübingen und München Germanistik und Anglistik zu studieren, schloss das Studium aber nicht ab.

Nebenher trat Voss im Kirchenkabarett eines evangelischen Pfarrers und im Tübinger Studententheater auf. Als eine Schauspieleignungsprüfung in Stuttgart eine überraschend positive Beurteilung fand, entschied sich Voss für das Theater.

Peymans produktivster Protagonist

Ein erstes Bühnenengagement bekam Voss in Konstanz, wo er als jugendlicher Held (Marchbanks in Shaws "Candida") debütierte. Dann arbeitete er in Braunschweig (1968-1971) und am Münchner Residenztheater (1971-1972). Von dort wechselte er an das Württembergische Staatstheater in Stuttgart und machte hier vor allem in Inszenierungen von Alfred Kirchner und Claus Peymann auf sich aufmerksam.

In Stuttgart galt Voss ab 1974 als Peymanns produktivster Protagonist und war als "der bewegendste und intelligenteste Kämpfer unter den Schauspielern", wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Jahr 2001 im Rückblick auf seine Stuttgarter Jahre schrieb. 1979 wechselte er mit Peymann nach Bochum, wo dieser die Leitung des Schauspielhauses und der Kammerspiele übernahm.

Nachdem er 1985 nach Stuttgart zurückgekehrt war, wechselte er im Jahr darauf mit Intendant Peymann an das Wiener Burgtheater und konnte hier seine Ausnahmekarriere nahtlos fortsetzen, obwohl die beiden deutschen Theatermacher im traditionsbewussten Wien gelegentlich angefeindet wurden und in eine Schlangengrube gerieten.

Über seine schauspielerische Leistung als "Richard III." schrieb der Spiegel: "Voss ist ein Theater-Verführer, dem nur ein Klotz widerstehen könnte, und er wächst an seinen Handicaps: Der absolute Bösewicht mit Buckel, Klumpfuß, schiefer Fratze wird zum absoluten Liebling. Dieser Richard III. ist kein eisiges Scheusal und kein satanisches Monster, sondern ein Kind, das geliebt werden will ..."

Voss blieb der männliche Spitzenstar des Peymann-Ensembles an der Burg und spielte in fast allen Klassikerinszenierungen die Hauptrolle.

Nach glanzvollen Gastspielen in den Jahren 1994 und 1995 am Berliner Ensemble, an der Berliner Schaubühne und den Salzburger Festspielen kehrte Voss 1996 an die Burg zurück. Dort geriet Taboris Uraufführungsinszenierung von "Die Ballade vom Wiener Schnitzel" nach Einschätzung des Branchenblatts Die Deutsche Bühne vor allem wegen Voss "zu einem Höhepunkt der Wiener Saison".

In den folgenden 15 Jahren festigte Voss seinen Ruf, der beste deutsche Schauspieler des späten 20. Jahrhunderts zu sein, in der Zusammenarbeit mit den renommierten Regisseuren von Luc Bondy über George Tabori bis Peter Zadek.

Karriere beim Film

Nachdem Voss einige Jahre nicht mehr mit seinem kongenialen Theaterpartner Peymann zur Vefügung gestanden hatte, auch weil sich die beiden zuletzt ernsthaft zerstritten hatten, kam es 2011 am Wiener Burgtheater wieder zu einer intensiven Zusammenarbeit. Dabei zelebrierte Voss in Thomas Bernhards Kammerspiel "Einfach kompliziert" eine Partitur eines grantelnden alten Schauspielers als zweistündigen Monolog.

Bejubelt wurde noch im Herbst 2012 Voss' Leistung als Professor Alexander in Matthias Hartmanns Adaption des "Onkel Wanja"-Stoffes von Tschechow am Wiener Akademietheater.

Auch eine Karriere beim Film war Voss vergönnt. Unter anderem drehte er neben Max von Sydow in Axel Cortis letztem Fernsehfilm "Radetzkymarsch". Unter der Regie von Dominik Graf wirkte er in der mit einem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichneten Komödie "Doktor Knock" mit und spielte einen befremdlichen Vater in Marc Rothemunds Thriller "Die Spur eines Mädchenmörders" in der ZDF-Serie "Anwalt Abel".

Voss hinterlässt seine Frau, die Dramaturgin und Regisseurin Ursula Voss sowie Tochter Christina, die ebenfalls Schauspielerin ist und in Wien ein eigenes Off-Theater leitet.

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