Musiktheater:Stetes Anrennen

Die Werkstatt der Opernfestspiele endet mit Sciarrinos "Vanitas"

Von Egbert Tholl

Seine Uraufführung hatte Salvatore Sciarrinos "Vanitas" 1981 an der Mailänder Scala. Dergleichen kommt dort auch nicht mehr oft vor. Keine Ahnung, wie das damals war, aber in die Werkstatt der Opernfestspiele passt das Stück a priori sehr gut, auch wenn man es sich sogar sehr groß inszeniert vorstellen könnte, bildhaft. "Vanitas" ist vielleicht ein Lied, das auf einem Schlager basiert, ist ein "Stillleben in einem Akt", ist Cello, Klavier, Gesang.

Lateinisch bedeutet Vanitas Leere, gebräuchlicher ist das Wort als Ausdruck von Eitelkeit, Vergänglichkeit. Kirchen, gerade barocke, sind voll mit Vanitas-Symbolen, der Mensch ist klein und lebt nicht lang, Gott ist groß und ewig. Darum geht es Sciarrino nicht. Es geht ihm um eine Fassungslosigkeit. Die Texte, die er vertont, handeln vom Vergehen, "selbst der Tod stirbt", und am Ende bleiben viele kleine Rosen. Aber Sciarrino singt nicht von einem Trost, eher von einem Ausprobieren und Anrennen von zarter, aber konzentrierter Sturheit. Immer und immer wieder probiert die Sängerin - in der Reithalle ist es die gestrenge Marzia Marzo - eine Wendung in nuancierter Varianz, einen langen Ton, der am Ende davonflattert wie ein Gedichtblatt im Wind. Das Cello ächzt erst heiser, dann ahmt es die Stimme nach, das Klavier führt ein Eigenleben, mal wie ein Kommentar aus weiter Ferne, mal so, als wolle es eingreifen. In der Opernfestspielproduktion sind Klavier und Cello mit Jean-Pierre Collot und Yves Savary luxuriös besetzt. Aber Giulia Giammonas Einrichtung macht aus Marzo eine singende Karyatide, aus Not wird Klassizismus. Aber das ist nicht Sciarrino. Der ist nicht meditativ, der ist ein leiser Schmerzensmann. Davon merkt man hier nichts.

So toll die Existenz der Opernwerkstatt ist, da ist noch Luft drin. In diesem Jahr erlebte man halbfertigen, aber verheißungsvollen Irrsinn, abgestandenen Humor, eine überambitionierte Nikolaus-Brass-Oper, freilich fulminant umgesetzt, und nun eben etwas bis zum Ersticken Kultiviertes. Aber man hörte Sachen, die man sonst in der Staatsoper nicht hört. Also weiter!

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