Musikszene in Paris nach den Anschlägen:"Ich werde an meinem Leben nichts ändern"

Musikszene in Paris nach den Anschlägen: Denis Quélard im "Pop In" in Paris

Denis Quélard im "Pop In" in Paris

(Foto: Thomas Hummel)

Denis Quélard betreibt eine der angesagtesten Musikkneipen in Paris, nahe dem Bataclan. Warum er trotz des Terrors weitermacht, Polizisten zum Schutz ablehnt und sich nicht wie im Krieg fühlt.

Von Thomas Hummel

Denis Quélard hat eine Bedingung: Er weigert sich, mit Journalisten über das "Massaker vom Freitag" zu sprechen. Der Abend, an dem die Mörder des IS mindestens 129 Menschen töteten, ist tabu. Der 52-Jährige betreibt seit 18 Jahren die Musikkneipe "Pop In" in der Rue Amelot. Dort organisiert er etwa 400 Konzerte im Jahr, täglich mindestens eins. Der Ort ist sehr populär, der Bühnenraum reicht für etwa 60 Besucher und ist meistens zu klein.

Doch wird das so bleiben? Das Bataclan ist fünf Minuten zu Fuß entfernt. Dort überfielen Terroristen ein Live-Konzert und ermordeten 89 Menschen. Ebenfalls ganz in der Nähe ist die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo, die im Januar angegriffen wurde. Das "Pop In" liegt mitten im Terrorviertel, dem elften Arrondissement.

Das Gespräch ist vereinbart für 18.30 Uhr, wenn Denis Quélard aufsperrt. Doch zuerst kommt der Bürgermeister des Viertels mit zwei Mitarbeitern zur Tür herein. Monsieur François Vauglin freue sich, dass Quélard trotz des Terrors weiterhin seine Kneipe öffne und sichere ihm jegliche Unterstützung zu. Gebe es etwa psychische Probleme, solle sich Quélard bitte melden, die Administration werde versuchen, ihm zu helfen. Vauglin überreicht ein Informationsblatt. Merci beaucoup, au revoir.

SZ: Monsieur Quélard, wie ist die Stimmung in der Musikszene von Paris? Grassiert die Angst?

Denis Quélard: Für die kommenden Tage haben einige Bands abgesagt. Am Dienstag sollte die Gruppe Republik auftreten, doch der Sänger sagt: Sie haben Angst. Er ist fast 60 Jahre alt, hat zwei Töchter, auch die wollten nicht hierherkommen. Dann rief vorhin die Sängerin der Band Lux Montes an. Sie will am Donnerstag lieber nicht spielen.

Sie stehen indes hier, zapfen Bier und reden mit den Gästen.

Ich habe nicht wirklich Angst. Wissen Sie, es ist viel passiert hier. Ich lebe gleich drüben neben der Kneipe Le Carillon, die auch beschossen wurde. Im Le Petit Cambodge war ich fast jeden Sonntag Mittagessen. Trotzdem werde ich weitermachen und den Leuten die Möglichkeit bieten, hier Konzerte zu sehen.

Die Attacken waren gezielt auf den jungen Lebensstil in Paris gerichtet: auf Straßencafés und ein Musikkonzert.

Ich werde an meinem Leben nichts ändern. Wie auch? Da müsste ich aufs Land ziehen und Kühe hüten. Ich liebe das, was ich tue: über die Musik Freude unter die Menschen zu bringen. Nur, weil ein paar Idioten so etwas tun, werde ich mich nicht ändern.

Präsident François Hollande erklärt, die Nation sei im Krieg. Fühlen Sie sich im Krieg?

Nein, denn dazu gehören ja immer zwei, die miteinander kämpfen. Wir wurden attackiert. Wir haben uns hier mit unseren Gästen eingeschlossen, erst um 2.30 Uhr trauten wir uns wieder heraus. Wobei ich sagen muss: An die dauernden Sirenen der Polizei- und Krankenwagen gewöhnt man sich schnell. Das hatte vermutlich was von einem Krieg.

Was halten Sie davon, Konzerte künftig besser zu schützen?

Sie meinen mit Security? Ich habe mir schon überlegt, für das kommende Wochenende eine Firma zu engagieren. Gegen Menschen mit Kalaschnikows wird das allerdings nicht helfen. Wir hatten schon mal Security vor der Tür stehen, aber nur aus Sorge, es könnte zu voll werden. Oder, weil wieder mal viel gestohlen wurde. Die Taschendiebe sind oft hier.

Man kann Polizisten vor die Tür stellen. Ähnlich wie bei Fußballspielen.

Ein Konzertsaal, ein Ort der Freude und der Unterhaltung, und davor Polizisten mit dem Gewehr im Anschlag? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das würde unserer Szenekultur total widersprechen.

Befürchten Sie, dass nun weniger Besucher zu Ihren Konzerten kommen?

Nein. Ich denke, die Leute werden schnell zur Normalität zurückkehren. Schon am Sonntag waren so viele auf der Straße, wie ich es überhaupt noch nie gesehen habe. Vielleicht kriegen die Straßencafés ein Problem, aber wir nicht.

Vorne an der Ecke ist im Restaurant draußen gerade jeder Platz besetzt.

Sehen Sie. Die Leute wollen ihre Lebensweise nicht verändern.

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