Es gibt, ungefähr auf halber Strecke, eine Stelle auf "Blood Bitch", Jenny Hvals toller, atmosphärischer Avantgarde-Pop-Platte, da stellt sich die Künstlerin wie zur Probe selbst eine Journalistenfrage: "What's this album about, Jenny?" Weil die Antwort - "It's about vampires" - ebenso simpel wie mysteriös klingt, ahnt man gleich, dass diese Frage wie sooft bei der Norwegerin gar nicht so leicht zu beantworten sein wird. Denn natürlich geht es zwischen den flirrenden Soundcollagen, Geräuschfetzen und zarten Melodien eben auch um viel mehr: um Blut, Verlangen, weibliche Identität, Menstruation, Selbsterkundung, Superkapitalismus, Tabus und Todesklagen. Jenny Hval ist eine Meisterin solcher postmodernen Gedankenwanderungen. "Blood Bitch" ist ein großes Ineinanderfließen von Themenwelten, Zeichen und Bildern. Hier findet alles gleichzeitig statt: Theorie, Selbstoffenbarung, Bewusstseinsstrom, Fiktion und Alltagsbanalitäten.
Fast noch besser als Hval durch ihre weirden, assoziativen Songwelten zu folgen, ist es aber sich mit ihr für eine halbe Stunde in einem Gespräch zu verlieren. Im Sommer sitzt Hval für Interviews im Innenhof eines Berliner Hotels, trinkt grünen Tee und wirft einem scharfsinnige und auf ungewohnt sanfte Weise neugierige Blicke zu. Eine umwerfende Gesprächspartnerin, leise, smart, liebenswert, mit diesem leicht kehligen, skandinavischen Tonfall, der stets klingt, als wissen seine Träger irgendetwas anderes, Ursprüngliches über das Leben als man selbst. Sofort zieht sie einen in ihr Gedankenlabyrinth: trashige Vampir-Horrorfilme aus den Siebzigern, Traumdeutung, Lena Dunham, Unendlichkeit, Sex, Architektur, Genderfragen. Man nickt ihr gebannt zu, wenn sie einem die Welt aus diesen unterbewussten Zuständen heraus neu erklärte, in denen eine einzige Idee gleichzeitig in zehn verschiedene Richtungen zielen kann und alles mit allem verbunden ist. Und am Ende tritt man seltsam beglückt aus Hvals Gedankenwelt zurück in die "echte" Welt hinaus, die einem plötzlich wieder viel geheimnisvoller vorkommt.