Musikfest und Hörgang:Klänge zum Abheben

Das Jubiläum der Münchner Philharmoniker gipfelt am Samstag in einem Fest im Gasteig, wo sich alles um die Musik und das Fliegen dreht - unter anderem gibt es ein Schneekanonen-Konzert

Von Anna Stockhammer

Hörgang

Eine Schneekanone soll beim Jubiläumsfest statt Schnee Luftströme schießen, aus denen die Philharmoniker Musik machen.

(Foto: Trugschluss)

Schon an sich lädt Münchens Kulturzentrum, der Gasteig, mit seinen verwinkelten Gängen und Räumen auf mehr als 80 000 Quadratmetern Besucher dazu ein, sich zu verlaufen. Wenn dann auch noch Räume, die sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind, ihre Türen öffnen und aus jeder Ecke Musik von Ensembles und Solo-Musikern erklingt, scheint die Verwirrung komplett.

Zum "Philharmonischen Fest für Alle", das die Münchner Philharmoniker aus Anlass ihres 125-jährigen Bestehens gemeinsam mit dem Dramaturgenkollektiv "Trugschluss" an diesem Samstag veranstalten, hat der österreichische Komponist und Konzeptkünstler Georg Nussbaumer einen "Atlas der bewegten Luft" konzipiert. Das kann man sich ungefähr so vorstellen: Musiker der Philharmonie machen gemeinsam mit Profi- und Laienmusikern, die sich freiwillig gemeldet haben, an 25 Orten im Gasteig Musik, etwa im Kistenlager, dem Foyer, auf der großen Bühne und im Probensaal. Immer wieder wechseln sie ihren Standort und spielen aus ihrem eigenen Repertoire. So hören Besucher an einem Ort vielleicht klassischen Chorgesang, der mit Mozarts Streichquartetten koexistiert, die ein Ensemble am nächsten Standort spielt. Spannend wird es, wenn das Signal auf den Handys der Musiker ertönt. Das bedeutet: Synchronisation. Mit einem Mal folgen alle Musiker an ihren Plätzen den Noten desselben, eigens für diesen Tag komponierten Stücks von Georg Nussbaumer. Das kann eine Minute oder länger dauern, dann fallen sie wieder zurück in ihre eigenen Melodien. Eine Klangwolke aus einer gemeinsamen Komposition wechselt sich mit einer Vielzahl von Repertoirestücken aller Genres und Epochen ab, und ein Atlas der Musik entsteht.

Nussbaumer versetzt mit seiner begehbaren Symphonie den Gasteig in Schwingung. "Musik ist ja im Grunde nichts anderes als bewegte Luft, die dann unsere Herzen bewegen soll", soll er bei der Beschreibung seines Projekts gesagt haben. Das passt zum Thema des Festes. Hat doch vor 125 Jahren, im selben Jahr, in dem sich die Philharmoniker bildeten, Otto Lilienthal mit seinem Normalsegelapparat es geschafft, das erste Flugzeug in Serie zu produzieren. Grund genug, um den Gasteig in eine Art Musikhangar zu verwandeln und die Musik und das Fliegen zu verbinden. So ergibt auch das Abschlusskonzert der begehbaren Symphonie Sinn: Acht Schneekanonen stehen auf der großen Bühne der Philharmoniker, sie schießen Luftströme statt Eis und Schnee, die Philharmoniker lenken die Kanonen nach Anweisung des Komponisten und erzeugen so komponierte Klänge. Im Carl-Orff-Saal stehen sich Musik und das Fliegen am Offensichtlichsten gegenüber. Ein "Tandem" auf einem Bildschirm wird aus einer Instrumentenbauwerkstatt, einem Konzertsaal und einem Notenarchiv auf der einen Seite und einem Fluglotsentower, einem Cockpit und einem Flugplatz auf der anderen Seite gebildet. In Episoden zeigen Musik- und Flugexperten die Gemeinsamkeiten ihrer Welten. Wie klingt es etwa, wenn Musiker einen Bauplan als Partitur betrachten und was für ein - vielleicht sogar flugfähiges - Objekt kommt heraus, wenn umgekehrt Modellflugbauer eine Partitur als Bauplan interpretieren? Ebenfalls im Carl-Orff-Saal ist ein "Kistenhimmel" aufgebaut, eine Installation von Nussbaumer aus Instrumentenkisten. Die Kisten sind mit Mikrofonen ausgestattet, wer mag, kann seinen Kopf hineinstecken und der musikalischen Geschichte, also den archivierten Konzerten der Philharmoniker, lauschen.

Als wäre der Gasteig mit seinen mehr als 1000 Räumen noch nicht groß genug, erobern die Philharmoniker das ganze Viertel um ihn herum. Beim "Kammermusik-Hörgang" schwärmen Ensembles mit insgesamt 60 Musikern der Philharmonie aus, um an 25 verschiedenen Plätzen in Haidhausen zu jeder vollen Stunde 20 bis 30-minütige Konzerte zu geben. Das Ensemble Goldmund spielt etwa im Parkhaus-Deck, ein Klarinettenquintett musiziert im Fitnessstudio, und ein Hornquartett gibt im Tanzcafé Maratonga ein Konzert. Beide Veranstaltungen kommen am Abend auf dem Celibidacheforum, der Open-Air-Bühne des Gasteig, zusammen, wo Philip Bradatsch und Band, die Bläser der Münchner Philharmoniker und die Bands Monokini und Los Pitutos ein Konzert geben. Und dann heben die Philharmoniker symbolisch völlig ab - mit einem Heißluftballon mit ihrem Logo darauf.

Philharmonisches Fest für Alle, Sa., 1. Juni, 14 bis 24 Uhr, begehbare Symphonie: 17 bis 19 Uhr, Gasteig, Rosenheimer Str. 5, Eintritt frei; Hörgang, 18 bis 22.30 Uhr, verschiedene Orte in Haidhausen, Infos unter www.hoergang.com

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