Süddeutsche Zeitung

Musiker:Wallace Roney

Der Jazzvirtuose Wallace Roney war der einzige Trompeter, den Miles Davis selbst förderte. Nun ist er mit 59 Jahren nach einer Corona-Infektion gestorben.

Von Oliver Hochkeppel

Vor fünf Jahren war der Trompeter Wallace Roney mit einem Quartett auf Tour, das sich Miles Smiles nannte. Denn alle vier Bandmitglieder, neben Roney der Gitarrist Larry Coryell, der Bassist Ralphe Armstrong und der Schlagzeuger Alphonse Mouzon, waren Weggefährten von Miles Davis, der nicht nur der berühmteste Trompeter, sondern auch der größte Talentscout des Jazz war. Noch heute ist es eine Art Gütesiegel, wenn in der Biografie eines Jazzers steht: Hat mit Miles Davis gespielt. In dieser langen Riege der Protegés nimmt Roney eine Sonderrolle ein, war er doch der einzige Trompeter, den Davis je unter seine Fittiche nahm.

Was für Roney Segen und Fluch zugleich bedeutete. Viele Kritiker nannten ihn wegen des Tons einen Miles-Davis-Klon und übersahen, was Davis selbst in ihm entdeckt hatte: den technisch perfekteren, in der Chromatik durchaus eigenständigen Vollender des Hardbops der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Schließlich hatte der 1960 in Philadelphia geborene Roney bei Wynton Marsalis und Art Blakeys Jazz Messengers angefangen und sich nach dem Studium am Berklee College of Music an der Seite aller einschlägigen Kollegen - die Pianistin Geri Allen wurde seine Frau - zum Grammy-gekrönten, wichtigsten neoklassischen Trompeter des Jazz aufgeschwungen.

Bis zuletzt bekam man "die Grundlagen des amerikanischen Jazz von ihm so kompakt präsentiert, wie es selten zu hören ist", wie der SZ-Kritiker Ralf Dombrowski noch vor drei Jahren schrieb. Jetzt ist Roney in Paterson, New Jersey, an Covid-19 gestorben. Er wurde 59 Jahre alt.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2020
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