Musik und Geschichten:Rock'n'Tratsch

Lesezeit: 3 min

Auf eine Plauderei mit "Uriah Heep"

Von Michael Zirnstein, München

Was passiert hinter dieser Hotelzimmertür, die auch auf mehrmals wiederholtes Klopfen hin nicht geöffnet wird? Dabei war vor fünf Minuten noch ein Fotograf in dem Zimmer, um den darin befindlichen Musiker Mick Box abzulichten. Was also treibt der Frontmann von Uriah Heep , Rockstar der alten Schule, da drinnen?

Nichts. Er ist gar nicht mehr in seiner Suite des Jams Hotel hinterm Gasteig. Hat sich irgendwie in den Frühstücksraum geschlichen. Da sitzt er dann ganz gemütlich bei einer Tasse Kaffee. Harmlos. Am 19. Januar aber soll es dann die volle Packung an Enthüllungen geben bei der Veranstaltung "Music & Stories" in der Muffathalle: Da treten die Ur-Rocker Uriah Heep ("Lady In Black"), Nazareth ("Dream On") und Wishbones Ash ("Lorelei") nicht nur auf, sie würden auch "pikante, skurrile, witzige und ergreifende Geheimnisse bekannt geben", heißt es in der Ankündigung. Auch "das Thema Sex" komme bestimmt zur Sprache. Das alles soll ein weiterer Rock-Routinier aus den Kollegen, mit denen er seit Jahrzehnten "auf Du und Du" sei, herauslocken: die Plaudertasche Andy Scott von The Sweet, der nur interviewen, nicht singen wird.

Die Idee zu diesem "Enthüllungsevent", bei dem auch alte Band-Bilder des Bravo-Fotografen Didi Zill im Foyer ausgestellt werden, hat sich der Veranstalter, der Österreicher Heinz Preisch, ausgedacht. "Konzerte zu geben, ist in der modernen Show-Welt nicht genug", sagt der. "Überall erwarten die Leute mehr, und was könnte mehr sein, als Geheimnisse von deiner Lieblingsband zu erfahren?"

An diesem Presse-Tag in München allerdings ist Mick Box nicht in der Laune, über "Glücksunterhosen" und "Backstage-Rituale" (in der Muffathalle soll eine Kamera live das geheime Geschehen hinter der Bühne in den Zuschauerraum übertragen) zu sprechen. Ob er sich etwa nicht mehr an seine wilde Zeit erinnere? Doch, doch, sagt der 72-Jährige und verweist auf jene "Tage des Exzesses", als sie "einen Learjet, Limousinen und vor den Hotelzimmern Bodyguards" hatten, "ganz normal damals, da passierte schon irres Zeug". Uriah Heep zählten zu den Großen mit ein paar Zehnmillionen verkauften Platten.

Vergangene Tage des Exzesses: Gitarrist Mick Box (2. von links) erzählt. (Foto: Richard Stow)

Auch in München ließen sie es häufig krachen. "Das war die Rock'n'Roll-Stadt damals, man wollte immer wieder herkommen, weil man eine super Zeit hier hatte", erzählt der Engländer. Nach den Konzerten ging es immer direkt ins legendäre Sugar Shack. "Da haben sie dir als Rockstar immer gleich einen guten Tisch an der Tanzfläche gegeben." Eine Weile war Mick Box dann Dauergast in jener Disco, 1974 nahmen Uriah Heep in den Musicland-Studios im Arabellapark das Album "Wonderworld" mit den Stücken "Something Or Nothing" und "Suicidal Man" auf, da blieben sie gleich von Januar bis März in der Stadt. Was sich damals genau in der komplett gemieteten Hotel-Etage abspielte, deutet er nur an: "Alle schluckten damals Drogen, die Manager, die Plattenfirmenleute, die Anwälte, wenn du nicht mitgezogen hättest, wärst du gesellschaftlich ein Außenseiter gewesen."

Als dann aber plötzlich die Kollegen im Rock-Zirkus begannen zu sterben, da hielt Mick Box inne. "Ich hatte die Fähigkeit, aufzuhören", sagt er, "ich hatte ja eine Familie. Die war mein Anker, ein angenehmer übrigens. Wenn ich vom Touren nach Hause kam, setzte ich meinen Rock'n'Roll-Hut ab und den Familienhut auf. Das war meine Rettung."

Uriah Heep waren 1988 auch die erste westliche Band, die hinter dem eisernen Vorhang in Moskau spielte. Ihr ungarischer Veranstalter schaffte damals das Unglaubliche: Sie erhielten eine offizielle Einladung nach Moskau. "Vorher hieß es immer ,njet, njet njet', auf einmal ging es, Glasnost sei Dank - ein Wahnsinn, ein Wunder." Zehn Tage in Folge spielten sie im Olympiastadion vor insgesamt 180 000 Fans, die mindestens 30 Meter Abstand zur Bühne halten mussten. Trotzdem sah Mick Box einige weinen, "sie hatten ja nie geglaubt, uns einmal live zu sehen. Schon fürs Hören unserer Platten waren einige nach Sibirien geschickt worden." Dorthin gingen bald auch Uriah Heep: auf einer strapaziösen fünfwöchigen Tour durch die UdSSR.

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Inzwischen ist das Band-Leben nicht mehr so abenteuerlich wie zu Pionierzeiten, aber aufregend allemal. 2018 spielten Uriah Heep mit der neuen, gar nicht altbackenen Platte "Living On A Dream" erstmals auf der Hauptbühne beim Metal-Openair in Wacken. "Wahnsinn", sagt Box und ballt die Faust. Sein Gitarrenspiel gilt für Bands wie Iron Maiden als stilprägend. Und neulich hatte ein Gast im Publikum eine Urne auf dem Schoß, erzählt Box. Er fragte nach und erfuhr, dass er die Asche seines Vaters mitgebracht habe. Der sei der weltgrößte Heep-Fan gewesen, habe sie aber nie live hören können - so kam er schlussendlich doch noch auf ein Konzert. "Es passieren seltsame Dinge, wir reden gerne drüber."

Music & Stories mit Uriah Heep, Wishbone Ash, Nazareth und Andy Scott , So., 19. Jan., 18.30 Uhr, Muffathalle

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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