Süddeutsche Zeitung

Musik:Umstrittener Pharma-Boss kauft Wu-Tang-Clan-Unikat

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Martin Shkreli hatte im September ein Medikament um 5000 Prozent verteuert. Könnte der Album-Kauf ein Versuch sein, Sympathien zurückzugewinnen?

Von Jan Kedves

Es war schon eine bizarre Nachricht, als die legendäre amerikanische Rap-Truppe Wu-Tang Clan im März 2014 verkündete, sie habe ein neues Album aufgenommen, von dem es allerdings nur eine einzige Kopie geben würde. "Once Upon a Time in Shaolin", eingelassen in eine handgeschnitzte versilberte Box, solle höchstbietend versteigert werden. An jemanden, der das Unikat nur selbst hören und es niemandem anders vorspielen dürfe.

Man mutmaßte, es könne ein Versuch sein, statt Rap nun Kunst zu machen. Wobei man das vielleicht auch nur so wahrnahm, weil Kunst im Rap plötzlich ein großes Ding zu sein schien - etwa bei Jay-Z, der seinen Track "Picasso Baby" gerade zusammen mit Marina Abramović in der New Yorker Pace Gallery performt hatte. Die eigentlich entscheidende Frage aber war ohnehin: Wenn das Album niemand hören darf - existiert es dann überhaupt?

Mehr als zwei Stunden Spielzeit und Cher ist auch dabei? Will man hören!

Dass in der Box tatsächlich Musik ist, wusste man dann im März dieses Jahres, nachdem "Once Upon a Time in Shaolin" in New York im Museum MoMA PS1 ausgewählten Fans, Journalisten und interessierten Käufern vorgespielt worden war. Natürlich mussten vorher alle ihre Smartphones und andere potenziellen Aufnahmegeräte abgeben. Doch im erlauchten Kreis fanden sich einige durchaus vertrauenswürdige Schreiber - unter anderem Jonathon Sturgeon von Flavorwire und Sasha Frere-Jones, der ehemalige Popkritiker des New Yorker. Und so weiß man nun: Das Album hat mehr als zwei Stunden Spielzeit, umfasst 31 Tracks, alle acht lebenden Rapper der Gruppe sind am Mikro dabei, und Cher singt auch mit. Will man hören, oder?

Nun wird gemeldet, dass sich über das Online-Auktionshaus Paddle8 tatsächlich ein Käufer gefunden hat. Beziehungsweise wurde der Deal anscheinend schon im Mai beschlossen und erst jetzt bekannt. Der Käufer gibt schon wieder eine bizarre Nachricht her: Es ist Martin Shkreli. Der ehemalige Hedgefonds-Manager und Inhaber der Firma Turing Pharmaceuticals wurde im September über Nacht zum meistgehassten Mann im Internet, als er den Preis für Daraprim, ein Medikament zur Behandlung von Toxoplasmose und Aids, dessen Rechte er zuvor erworben hatte, um 5000 Prozent erhöhte und diesen Schritt mit wirrem Gefasel über Forschung und hohe Entwicklungskosten rechtfertigte. Eine Pille kostet jetzt 750 Dollar.

Dafür wurde der 32-Jährige öffentlich von Hillary Clinton und sogar von Donald Trump geächtet. Genau dieser Shkreli hat, so heißt es bei Bloomberg, zwei Millionen Dollar für "Once Upon a Time in Shaolin" bezahlt. Der Wu-Tang Clan hat nach eigener Auskunft einen Großteil des Geldes bereits an wohltätige Organisationen überwiesen, was wohl das PR-Desaster ein wenig abfedern soll.

Die vertraglichen Auflagen wurden anscheinend gelockert: Ursprünglich sah das Konzept vor, der Käufer dürfe das Album erst in 88 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich machen. Jetzt dürfte er es jederzeit. Es wäre eine Möglichkeit für Shkreli, sich wieder ein bisschen beliebter zu machen, zumindest bei Leuten, die sich für den Wu-Tang Clan oder für schräge Kunstaktionen interessieren. Er könnte das Album kostenlos ins Netz stellen.

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