Musik:Popkolumne

Die Pop-Ereignisse der Woche - mit alten Helden und der Antwort auf die Frage nach der Weisheit des Punk.

Von Jens-Christian Rabe

Es gibt Wochen, da drängeln sich neue Alben und Songs nach vorne. Und es gibt Wochen, da kommt mal wieder die Herde der alten Helden mit aller Macht angewackelt. Dies soll also die Woche von Guns 'n' Roses sein, über die der amerikanische Reporter John Jeremiah Sullivan einmal den schönen Satz geschrieben hat, sie seien die letzte große Rockband gewesen, "die es nicht irgendwie auch ein bisschen peinlich fand, eine Rockband zu sein". Am vergangenen Freitag ist der Bandkern mit Sänger Axl Rose, Sologitarrist Slash und Bassist Duff McKagan nun zum ersten Mal seit dem 17. Juli 1993, dem letzten Auftritt während der sagenumwobenen Guns 'n' Roses-Welttour in Buenos Aires, wieder gemeinsam auf der Bühne gestanden: vor 250 ausgewählten Gästen im Troubadour in Los Angeles. Am kommenden Wochenende wird es in Las Vegas die ersten beiden Stadion-Konzerte geben, bevor die große Amerika-Tour folgt. Amen. Die wenigen wackligen Handy-Videos aus dem Troubadour lassen manches befürchten: Sie zeigen einen ewig gniedelnden Slash und einen deutlich kräftigeren, aber stabil axlrosehaft plärrenden Axl Rose, im Hintergrund hängt wie eh und je riesengroß das lächerlichste Bandlogo aller Zeiten mit den Rosen und den Knarren. Sicher ist also vorerst nur, dass zum aktuellen Comeback keine genaueren, ehrfürchtigeren und lustigeren Sätze geschrieben werden können als die, welche John Jeremiah Sullivan zum Axl-Rose-Comeback 2006 schrieb: "Von Anfang an war er unter den männlichen weißen Rockern seiner Generation der einzige unwiderstehliche Tänzer, der einzige, bei dem sich eine Parodie lohnte. (. . .) Auch wenn ich nicht behaupten kann, dass Axl an diesem Abend genauso gut tanzt wie früher, als seine Fersen noch fließend von der Körpermitte weg nach außen glitten und es aussah, als seien beide mit einem Zauberstab berührt worden, der sie von Widerstand und Masse erlöst hat, und auch wenn er mich in gewissen Augenblicken an meinem besoffenen Redneck-Onkel erinnert, der nach einer Super-Bowl-Party versucht, ,seinen Axl Rose' darzubieten: Er schlägt sich ehrenvoll. Er macht den ,Scheiße mir ist eine Bowlingkugel auf den Fuß gefallen'-Mikroständer-Drehtanz; er macht den ,Tänzel mit dem Mikroständer seitwärts wie ein angreifender, speerschwingender Ritualkrieger'-Tanz zwischen den einzelnen Strophen. Und nach jeder Zeile starrt er die Menge aus diesen merkwürdig verwunderten und trotzdem furchtlosen Augen an, die aussehen, als hätte man ihn gerade dabei überrascht, wie er sich in seinem Bau über ein Stück Aas hermacht."

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