Musik: Munk:Mjunik Disco

Barrierefreier Zugang zum nächtlichen Exzess: Die Disco-Combo "Munk" wagt mit dem Album "The Bird and the Beat" den Neustart der guten Laune im Elektro-Pop.

Paul-Philipp Hanske

"Easy", also lässig, angenehm, im weiteren Sinn auch nett und gut gelaunt - in Sachen Pop handelt es sich bei diesem Urteil um ein vergiftetes Lob. Zu sehr wird dadurch die Erinnerung an eine besonders schale Pop-Episode evoziert: an die mit "Easy Listening" beschallten "Lounges", die Ende der neunziger Jahre aufkamen und bis heute nicht verschwunden sind. Das Perfide an "Easy Listening" war, dass die einzelnen Songs, die in diese Schublade gesteckt wurden, für sich genommen oft über alle Kritik erhaben waren.

Musik: Munk: Das neue Album The Bird and the Beat, das der Gomma-Label-Mitbetreiber Mathias Modica vorlegt, ist auf bestechende Weise konsequent. Der Erfolg des Labels, das es seit über zehn Jahren gibt und das in seiner Heimatstadt München genau so gefeiert wird wie in Marseille oder São Paulo, besteht darin, dass es einen barrierefreien Zugang zum nächtlichen Exzess gewährt.

Das neue Album The Bird and the Beat, das der Gomma-Label-Mitbetreiber Mathias Modica vorlegt, ist auf bestechende Weise konsequent. Der Erfolg des Labels, das es seit über zehn Jahren gibt und das in seiner Heimatstadt München genau so gefeiert wird wie in Marseille oder São Paulo, besteht darin, dass es einen barrierefreien Zugang zum nächtlichen Exzess gewährt.

Jazz konnte genau so Easy Listening sein wie Bossa Nova, Morricone-Soundtracks genauso wie Funk oder instrumentaler Hip-Hop. Das den Songs Gemeinsame war, dass sie angenehm und bruchlos dahinplätscherten, dass man damit problemlos jede Afterwork-Cocktailrunde beschallen konnte. Das ist es auch, was Easy Listening heute so unangenehm erscheinen lässt: Es ist der Soundtrack der cleanen und langweiligen neunziger Jahre, der zugekoksten Jungmanager und Internetblasen.

Das alles muss vorausgeschickt werden, will man die Irritation beschreiben, die die ersten Takte des neuen Albums "The Bird and the Beat" der Münchner Disco-Combo Munk (Gomma) auslösen. Zu hören ist nämlich so ein typisches "Easy-Listening-Arrangement": Ein E-Piano improvisiert eine kleine Einleitung, ein Jazz-Crooner raunt darüber denkbar lässig: "one two, one two, can I have your Attention please". Das hat zwar schnell ein Ende, und Easy Listening im eigentlichen Sinn ist im weiteren Verlauf des Albums auch nicht zu hören. Das Intro kann aber doch programmatisch verstanden werden. Es will sagen: Achtung, jetzt wird es easy, jetzt kommt gute Laune. Und dieses Versprechen wird gehalten.

Das Album, das der Gomma-Label-Mitbetreiber Mathias Modica vorlegt, ist auf bestechende Weise konsequent. Der Erfolg des Labels Gomma, das es seit über zehn Jahren gibt und das in seiner Heimatstadt München genau so gefeiert wird wie in Marseille oder São Paulo, besteht darin, dass es einen barrierefreien Zugang zum nächtlichen Exzess gewährt. Verirrt sich ein Nicht-Fachkundiger auf der Suche nach Vergnügen in einen typischen Techno-Club, wie man sie aus Berlin kennt, wird er nur wenig Spaß haben. Zu brachial und abstrakt ist die Musik, als dass man sofort verstehen würde, was man damit anfangen soll. Gerät er hingegen auf eine Gomma-Party, wird er sofort umfangen aus einer gut gelaunten Mischung aus vergessenen Hits, lustigen Skurrilitäten und schwitziger House-Musik. Die Botschaft ist denkbar einfach: Es geht darum, eine möglichst angenehme Nacht zu verbringen.

Das ist auch das Konzept des neuen Munk-Albums. Beim Vorgänger "Cloudbuster" beschritt Modica 2008 noch einen ganz anderen Weg. Im Kontrast zum Gomma-Party-Programm wurden hier psychedelische, an Filmmusik orientierte, verschachtelte Songs gespielt. Für "The Bird and the Beat" hingegen könnte das in der iTunes-Bibliothek angegebene Genre lauten "Easy Dancing".

Wieso sich Munk immer auf der guten, also auf der interessanten Seite befindet, liegt an einem einfachen Rezept: Die Musik ist - im Gegensatz zu dem Happy-Gedudel, das 90 Prozent der Pop-Produktion ausmacht - niemals glatt, sauber und steril. Der typische Munk-Sound ist immer etwas dreckig, hat immer etwas typisch Verschlagenes und Schlawinerhaftes, und reiht sich damit in die beste Münchner Bohème-Tradition ein.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Mathias Modica sich zu einem Duett hinreißen lässt.

Lässig, frisch und lebensfroh

Bei den allermeisten Liedern des neuen Albums ist eine Frauenstimme deutlich im Vordergrund, oft eine zärtlich gehauchte, oder eine, die sehr easy "la la la" singt. Mathias Modica arbeitet schon lange so, dass er für seine Stücke, die er alle selbst einspielt, Gastsängerinnen sucht, oder die Songs zusammen mit ihnen schreibt. Die noch bekannteste von ihnen dürfte die phantastische Pollyester sein, eine ebenfalls aus München stammende und bei Munk-Konzerten Bass spielende Musikerin, die selbst auch wunderbar schräge Discomusik produziert.

Bei Munk singt sie mit einer etwas kehligen, oft etwas lasziv raunenden Stimme. Auch die anderen Sängerinnen - etwa die DJs Chicka Paula oder Joyce Muniz - haben beim besten Willen keine Gesangsausbildung hinter sich, einige singen zum ersten Mal auf einem Album. In jeder Casting-Show würden sie ratloses Kopfschütteln ernten. Aber genau diese möglichst weite Entfernung zum neuen "Tolle-ausgebildete-Stimme-Pseudo-Soul", der allerorten zu hören ist und uns als "künstlerisch wertvoller Pop" verkauft wird, ist goldrichtig und klingt lässig, frisch und lebensfroh.

Auch Mathias Modica, der sich oft - etwa wie beim potentiellen Hit des Albums "Keep my Secret" - zu einem Duett hinreißen lässt, hört sich nicht gerade sauber an. Seine Stimme hat etwas leicht Froschhaftes, und wenn er breit den Satz "Baby please trust me" singt, ist sein süddeutscher Akzent überdeutlich hörbar. Aber wieso auch nicht? Nur Langweiler mokieren sich über so etwas, die etlichen New Yorker Munk-Fans hingegen stören sich an diesem Lokalkolorit nicht im Geringsten.

Die Musik unter diesen schäkernden Zwiegesprächen ist meist nach einem ähnlichem Muster produziert: Die Beats könnten von einem echten Schlagzeug stammen, sind aber doch so mächtig, dass sie im Club funktionieren. Ein etwas dreckig klingender Bass spielt darüber eine Grundmelodie, oft ist auch ein stets dieselben Akkorde wiederholendes Piano zu hören, schräge Synthesizerklänge knarzen dazu und Streicher sorgen für einen gewissen Glanz.

Das alles ist natürlich alles andere als neu. Für die meisten Songs steht tatsächlich Disco Pate, jene - in Deutschland einst vor allem in München gefeierte - Musikrichtung, die auf der einen Seite für Glamour stand, auf der anderen Seite für Exzess, die es erlaubte, das Schmutzige unter dem Fingernagel mit silbernen Lidschatten zu kombinieren.

"The Bird and the Beat" als reines Retro-Disco-Album abzutun, wäre ungerecht. Das Konzept von Munk mag angesichts der Pophistorie vielleicht nicht allzu originell erscheinen. Aber es erinnert daran, was Pop eben auch sein kann und darf: eine Feier des Hier und Jetzt.

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