Musik - Bremen:"Jugend musiziert" im Digital-Format

Bremen
Ein Mädchen spielt Cello. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Bremen (dpa/lni) - Die Szene ist irgendwie gespenstisch, aber faszinierend. Die Ränge sind verwaist, die Parkettreihen im Metropol Theater Bremen fast leer. Nur in zwei Reihen sind 4 der 1450 samtroten Sitze besetzt mit Juroren des Bundeswettbewerbes "Jugend musiziert", der in diesem Jahr erstmals seit 1964 digital abläuft. "Eine Notlösung, keine Dauerlösung", sagt Claus Christianus, Jury-Vorsitzender für die Kategorie "Klavier vierhändig oder an zwei Klavieren", in einer kurzen Pause zwischen den Video-Beiträgen.

Die Juroren sitzen getrennt durch Plexiglasscheiben vor einem etwa ein Meter mal zwei Meter großen Bildschirm, der zwischen zwei Lautsprechern auf der Bühne steht. Sie betrachten und hören andächtig eine Aufnahme von Opus 85 von Robert Schumann, Zwölf Klavierstücke für kleine und große Kinder, Stück 11 "Gespenstermärchen". Gespielt von Rafael As und Julian Hofmann. Beide sitzen mit Masken am gediegenen Flügel in Konzertsaalatmosphäre. Nicht jeder kann einen solchen Beitrag mit Profi-Background schicken. Es reicht auch ein Handy-Video aus dem Wohn- oder Kinderzimmer am Klavier oder der Gitarre. Was zählt sind die Musik, der Ausdruck, die Instrumentenbeherrschung.

"Für die Jugendlichen ist das eine unglaubliche Motivation", sagte Musikpädagoge Christianus. Egal ob von Zuhause oder als aufwendige Profi-Aufnahme: "Wir versuchen im Vordergrund das zu bewerten, was musikalisch geleistet wird." Christianus ist einer von 140 Juroren, die seit Donnerstag in Bremen und Bremerhaven an der Arbeit sind und die Beiträge in über 30 Kategorien auf sich wirken lassen und bewerten.

Die Videos sollten dabei nicht bis zur Perfektion immer wieder aufgenommen werden, sondern exakt den bestmöglichen Stand wiedergeben, den die Jugendlichen nach monatelangem Üben und unzähligen Stunden erreicht haben. Auch für die Juroren gilt: "Einmal anschauen, nicht zurückspulen, vollständig ansehen." Ein bisschen Live-Atmosphäre zumindest.

Einige Teilnehmer haben das bewusst genauso beherzigt: Der Aufnahmetag war wie der Tag der Live-Premiere vor Publikum. Und so gab es auch Videos, auf denen im Hintergrund unbeabsichtigt Martinshörner oder Kirchenglocken ertönten oder Straßenverkehr zu hören war. "Es gab auch einen Stromausfall und bei einer Aufnahme einen Wassereinbruch", sagt Susanne Fließ, Sprecherin des Bundeswettbewerbes, der unter dem Dach des Deutschen Musikrats stattfindet.

Der Wettbewerb soll vor allem eins: Ermutigen und helfen, den musikalischen Standpunkt für sich zu bestimmen. Für viele sei die Teilnahme ein wichtiger Auftakt für weitere Förderungen, so Fließ. Einige würden sich dabei auch bewusst, ob Musik zum Beruf werde oder zu einem wichtigen Hobby neben einem anderen Beruf.

Juror Christianus bedauert, dass es nicht wie sonst für jeden Teilnehmer das kurze wichtige persönliche Gespräch geben kann. "Aber jeder der 2250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer soll ein kurzes schriftliches Feedback von drei oder vier Sätzen erhalten", sagte Fließ. "Das ist schon eine Herausforderung."

© dpa-infocom, dpa:210519-99-664876/3

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