Süddeutsche Zeitung

Musik:Am Hammerklavier

Der österreichische Pianist Jörg Demus ist im Alter von 91 Jahren in Wien gestorben. Er war ein beliebter Lehrer und Liedbegleiter und entdeckte gemeinsam mit Paul Badura-Skoda das Hammerklavier für das konservative Wien wieder.

Von Reinhard J. Brembeck

Hört man, wie Jörg Demus in den 1950er-Jahren Bach und Schubert, das waren zwei seiner Hausgötter, gespielt hat, dann begegnet man einem apollinischen Schöngeist, der sich den Stücken romantisch, mit einem hellen und warmen Ton nähert. Aber Demus konnte auch ganz anders. Er, der bei dem legendären Yves Nat und bei Walter Gieseking studiert hatte, übernahm deren kompromisslose Leidenschaft, wenn er sich an Schumann machte. Dessen "Kreisleriana" werden bei dem 1928 in St. Pölten geborenen Demus zu einem zerrissenen Schlachtfeld unerwiderter Erotica. Demus war aber auch derjenige, der zusammen mit dem zwei Jahre älteren Paul Badura-Skoda das Hammerklavier für das konservative Wien wiederentdeckte, jenes Instrument, das für Mozart, Beethoven, Haydn und Schubert das Maß der Dinge war. Am Hammerklavier verschwand bei Demus alles Liebliche. Man höre nur Beethovens letzte Klaviersonate, wo die Kurzatmigkeit des schnell verklingenden Hammerklaviertons Demus dazu ermutigt, die Konstruktion aus kleinsten Parzellen zu betonen und dadurch die Kühnheit dieser Komposition radikal hervorzukehren. Demus war auch begehrt als Begleiter und Lehrer. Jetzt ist der Pianist mit 91 Jahren in Wien gestorben.

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Quelle:
SZ vom 23.04.2019
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